Page 24, Notre Dame de Lorette und die Perle Lille

So starten wir also gut gerüstet in den Tag und wollen nun erst mal das kompensieren, was uns der Feiertag genommen hat. Wir besuchen zuerst eine kleine Brauerei, die Brasserie St Germain Page 24 in Aix Noulette. Das sind nur ein paar Meter von unserem B&B aus. Für 4 Euro besuchen wir die samstägliche Führung und bekommen dafür einen Schlüsselanhänger und ein Glas Bier zusätzlich zur Führung. Kein schlechter Tausch, würde ich sagen. Was die Führung angeht… es ist ja bereits bekannt, dass ich kein Französisch spreche und natürlich ist auch diese Führung in französischer Sprache. Bei unserer letzten Führung war dies kein Problem, konnte mir doch meine Freundin nahezu alles übersetzen. In der Brauerei sah das etwas anders aus. Die Gerätschaften waren recht laut und der Führer sprach leise und nuschelte ein wenig, so dass auch Carina nur vereinzelte Worte verstand. Für einen Mutterspracher sicher kein Problem, den Führer unter den Bedingungen zu verstehen, für uns aber unmöglich. Ich war ganz froh, dass ich bereits zwei mal in der Heineken-Brauerei in Amsterdam war und bereits mit dem Vorgang der Bierherstellung vertraut. Obwohl von der Brauereiführung an sich enttäuscht waren, kamen ein paar schöne Bilder dabei heraus. Und man muss auch sagen, dass das Bier mundete. Fast schade, dass es zwar außerhalb von Frankreich erhältlich ist, in Deutschland aber nicht.

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Dann war es mal wieder so weit, dass Geschichte auf dem Programm stand. Bereits an unserem ersten Tag im Nord-Pas-de-Calais waren wir auf den Spuren des ersten Weltkriegs unterwegs, erkundeten die Wege der Erinnerung an der Küste. Nun war es Zeit für einen weiteren Besuch des Programms. Nicht weit entfernt lag die Kirche Notre Dame de Lorette mit ihrem großen Soldatenfriedhof. Zunächst führte uns das Navi durch den Ort und behauptete, wir seien nun mitten auf der Landstraße am richtigen Fleck. Doch das konnte nicht stimmen. Also fuhren wir zurück in den Ort und hielten die Augen offen, fanden das Hinweisschild und direkt neben dem Schild eine Kirchenruine. Die Ruine verwirrte mich einen Moment. Ich hatte doch bereits Bilder gesehen, das konnte doch unmöglich diese Kirche sein?! War es auch nicht, wir mussten einfach nur weiter fahren.

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Die Kirche war innen unheimlich vergoldet und voll von Namen und Gedenktafeln. Wir fanden eine Tafel mit Namen von Kindern, die dem Krieg zum Opfer gefallen waren. Natürlich weiß man das, dass auch Kinder in einem Krieg sterben, aber das dann noch einmal direkt vor Augen gehalten zu bekommen ist ein beklemmendes Gefühl. Wir blicken wieder nach draußen in den Regen, über eine Heerschar von weißen Kreuzen. Auf dem benachbarten Grundstück wird gerade ein unheimlich großes Mahnmal gebaut, das wohl im November eingeweiht werden soll, inklusive politischer Größen wie Hollande und Merkel. Gerade ist es noch Baustelle, aber erste Züge kann man bereits erkennen.

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Nebenan ist ein kleines Museum, dessen Türen sich ganz automatisch öffnen, als wir näher kommen. Innen stand ein Herr an der Tür und hatte wohl gesehen, dass wir auf die Türe zu laufen. Ich war im Elsass bereits in einem derartigen Museum und in alten Schützengräben unterwegs, für Carina war das neu und noch eine Nummer schockierender als für mich. Die Räume waren sehr klein und eng, aber es war eine Vielzahl an unterschiedlichen Uniformen, Bildern, Waffen und dergleichen ausgestellt. Die Informationen und Audios waren auch in englisch abrufbar, so dass auch die Sprache hier kein Problem darstellte. Als wir durch waren, regnete es in Strömen. Daher verzichteten wir auf eine nähere Betrachtung der Schützenlöcher und Kanonen, die im Garten nebenan platziert waren. Wir befanden uns hier direkt auf ehemaligem Schlachtfeld. Alleine dieser Fakt kombiniert mit dem Wissen, was wir in den letzten Tagen gesammelt hatten, lässt einem einen Schauer über den Rücken laufen.

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Nun war es schon Mittag und Zeit für eine Fahrt an unseren letzten Bestimmungort. Es ging nach Lille. Man bezeichnet Lille hier als Metropole, wobei ich mir mit dem Wort schwer tue. Für mich gibt es nicht viele Metropolen auf der Welt. New York ist eine. Tokyo. Aber Lille? Nun, verglichen mit dem Rest hier in Nordfrankreich ist Lille mit ungefähr 230000 Einwohnern aber garantiert eine Metropole.

Ein paar Meter Autobahn und dann sind wir da. In den Vororten gefällt uns Lille nicht. Aber so ist das oft mit Vororten, und die Innenstadt macht das wieder wett. Lilles City ist verschnörkelt und bunt, voll mit Lichtern und Fensterläden und Verzierungen. Wir sind mitten in der Stadt einquartiert, im Grand Hotel Bellevue. Das liegt direkt am Grand Place, und unser Zimmer hat wirklich einen schönen Blick – der Hotelname verspricht nicht zu viel. Wir haben einen kleinen französischen Balkon und sehen von dort auf den Marktplatz. Eine Blasmusikkapelle spielt vor dem Theater diverse Filmthemen, einige Straßencafés haben bestuhlt und trotz wechselhaftem Wetter sitzen die Menschen draußen. Lille scheint zu pulsieren und wir mögen es sowohl im Regen als auch mit Sonnenschein sofort.

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Wir wollen ein bisschen mehr von Lille als unser Hotelzimmer und ziehen gleich wieder los. Wir haben Hunger und ein kleines Restaurant am Grand Place gefällt uns, so dass wir uns direkt nieder lassen. Wir bestellen je ein Menü, aber mit unterschiedlichen Gängen. Carina wagt sich erstmals selbst an der Maroilles, den sie bisher immer bei mir probiert und immer für gut befunden hatte. Sie ist eine Art Maroilleskuchen. Ich bestelle fast ungewollt Schnecken mit Maroilles. Auf diese Art schmecken sie mir besser als in Knoblauch, stelle ich fest. Dann soll es Waterzoi geben, weil wir nicht wissen was das ist, und Coq au vin.  Irgendwie hatte uns der Kellner aber falsch verstanden und er brachte einen Karbonadenbraten und Waterzoi. Ich bin im Nachhinein froh über diese Verwechslung. Carina entschied sich für das Waterzoi und ich genoss die Carbonade. Beide Gerichte sind flämische Nationalgerichte. Bei der Gelegenheit wundern wir uns, warum es eigentlich flämisch heißt und nicht flandrisch, finden hierfür aber keine Erklärung, außer dass flandrisch doof klingt. Das Waterzoi ist lecker, ich bin dennoch froh, es nicht zu haben, weil mir so gar nicht nach Hühnchen war. Mein Braten besteht aus Rindfleisch und schmeckt nach einer Mischung aus Biersoße und Sauerbraten. Fazit zu Beidem: lecker. Zum Dessert gibt es für uns Beide Creme Caramel.

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Im Anschluss stöbern wir ein wenig über den Platz und gehen shoppen. Seit einer Woche hören wir im Auto die gleichen drei CDs und können sie schon nicht mehr hören, so dass wir uns freuen über das Angebot des ansässigen Musikgeschäfts und vier neue CDs mitnehmen. Nun bin ich gespannt auf die Disneysongs auf französisch.

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Zwischendurch ist es nochmal Zeit zum Entspannen. Wer schon immer mal in einem Grand Hotel baden wollte, kann das nun tun, und es war nicht ich. Ich kam gerade mal dazu, meine Bilder zu sortieren und teilweise so zu bearbeiten, dass sie blogtauglich waren, und dann ging es auch schon wieder los. Im Hotel hatte man uns den Tip gegeben, dass wir mit der Ubahn problemlos bis zum Stadion fahren konnten und unser Auto nicht mehr bemühen mussten.

Es ist viel schneller so weit, dass wir los müssen, als wir erwartet haben. Die Zeit reichte nicht zum Bloggen und nicht wirklich zum Entspannen, aber wir wollen ja auch unbedingt. Es steht ein weiteres Highlight an, vielleicht sogar das größte Highlight. An Stimmung ist das gestrige Fußballspiel in Lens kaum zu toppen, aber heute geht es um ein ganz anderes Kaliber. Wir dürfen ins Grand Stade in Lille. Eine hochmoderne Arena, die gut 50000 Plätze fasst. Wir haben ein E-Ticket, und sitzen ganz weit oben auf Höhe der Mittellinie. Einen besseren Platz im Stadion kann ich mir gar nicht vorstellen, ich sitze sehr gerne weit oben. Carina ist ebenso gespannt, hat sie doch gestern einen sehr intensiven Einblick in die französische Fanszene bekommen. Heute läuft aber alles anders ab. Lille ist Tabellendritter und empfängt den Tabellenersten Paris St Germain. An Bord ist auch der große Zlatan Ibrahimovic. Ich bin ja der Meinung, dass Herr Ich Zlatan mehr Schein als Sein ist und absolut nicht Fußball spielen kann. Wie oft habe ich schon gesehen, dass ihm jeder Ball verspringt, wenn er versucht ihn zu stoppen. Anscheinend kann man auch einfach mit einem Hammerschuss ein Weltstar werden. Ich bin aber generell mehr an Stadion und Atmosphäre interessiert als an Zlatan.

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Von der Metro laufen wir noch ein paar Meter und erreichen dann das Stadion. Der Eintritt verläuft trotz endlos lange Schlangen sehr reibungslos und schnell ab. Auch unser Getränk haben wir sehr schnell, und das im speziellen OSC Lille- Becher. Den will ich unbedingt haben, und da es egal ist, welches Getränk wir bestellen, wählen wir heute Eistee. Ich hatte schon befürchtet, ich müsste Bier trinken, worauf ich gar keine Lust hatte.

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Dann nahmen wir unsere Plätze ein. Dabei stelle ich fest, dass das Dach heute geschlossen ist. Wir sehen heute also ein Spiel, das vor Wind und Wetter geschützt ist. Der Blick war wirklich sehr gut und die Mannschaften waren gerade am Aufwärmen. Einen klaren Auswärtsblock konnte ich zunächst nicht ausmachen. Man hatte mich im Vorfeld gewarnt, dass PSG ja für ganz schrecklich schlimme Fans bekannt sei. Ich bin Fußball ja aber gewohnt und die vermeintlich schrecklich schlimmen Fans haben einfach nur Stimmung gemacht. Heute ohne Pyrotechnik. Den Fanblock habe ich nämlich nach einer Weile gefunden. Auch Lille hat das Spiel über ordentlich supportet. Zum Intro gab es eine tolle Choreo über das komplette Stadion, sah sehr nett aus. Aber eben auch alles sehr gesittet und ordentlich.

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Im Laufe des Spiels stellte sich heraus, dass einige PSG-Fans auch in unserem Umkreis saßen. Ein bunt gemischter Haufen also, und das war kein Problem, außer für einen einzigen Mann. Vor ihm saßen vier PSG-Fans, die ihr Team anfeuerten. Der Mann war darüber so erbost, dass er sich mit den vier Jungs anlegte. Die fanden das witzig und filmten den aufgeregten und schon fast tobenden Herren, was ihn gleich noch tobender machte. Das ganze wurde erst gelöst, als die Securitys den Lille-Fan entfernten und vermutlich andernorts weiter schauen ließen. Im Verlauf der zweiten Hälfte platzierten sich direkt hinter den Vier PSGlern einige Lille-Fans, die ihr Team lautstark anfeuerten. Es entwickelte sich ein wenig ein Kampf um den lauteren Support und die größere Party, aber alles war immer friedlich.

Zu Beginn waren beide Teams ungefähr gleich stark, doch in der 37. Minute musste ein Spieler mit einer roten Karte vom Platz. Ich habe das Foul nicht gesehen und kann nicht sagen, ob es berechtigt war. Die lange Verletzungspause nach  der Situation ließ aber fast darauf schließen. Der verletzte Spieler wurde mit der Trage vom Spielfeld gebracht und kam nicht wenige Sekunden später zurück, wie man das ja schon so oft gesehen hat. Im Nachhinein habe ich ein Video des Fouls gesehen und kann rot bestätigen. Mit gestrecktem Bein und offener Sohle auf das Bein des Gegenspielers ohne Chance auf den Ball. Diese Situation veränderte das Spiel schlagartig.

PSG war von da an deutlich überlegen. Generell war es ein sehr ansehnliches Spiel mit tollen Spielzügen. Und ich muss sagen, Ich Zlatan hat mich heute absolut überrascht. Der Junge kann ja doch Fußball spielen! PSG gewann 3:1, was auch dem Spielverlauf entsprechend war. Wir sahen heute ein Spiel des 37. Spieltags, also das vorletzte Saisonspiel und somit das letzte Heimspiel der Saison für Lille.

Nach dem Spiel brachte uns die Metro ebenso problemlos wieder in die Stadt, wie wir es zum Stadion geschafft hatten. Die Haltestelle lag nur wenige Schritte vom Hotel entfernt. Auf der Fahrt waren wir für einen Herren eine Mischung aus Sensation und Skandal. Zwei Frauen, die sich umarmten, schien der Herr bisher noch nicht gesehen zu haben, der Blick war eine Mischung aus lüstern und geschockt. Generell hatten wir damit in Frankreich aber keinerlei Probleme!

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Nach ein paar Metern durch das beleuchtete und wunderschöne Lille rund um den Grand Place war es Zeit für eine Rückkehr, zumal mein Gehirn langsam streikte.

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Wir fielen im Hotel sofort ins Bett. Lange Tage sind anstrengend, auch wenn sie so tolle Erlebnisse beinhalten.

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Am nächsten Morgen wollten wir dann immerhin das Frühstück unseres Hotels sehen, auch wenn wir noch ein Brunch vor uns hatten. Wir beließen es aber bei Orangensaft und einer minikleinen Kleinigkeit.

Als wir aus dem Hotel auscheckten, erwischte es uns wieder mit dem bösartigen Regen. Wir trotzten ihm noch ein paar Minuten. Dabei entdeckte ich ein paar Graffitis, die mir sehr gut gefielen.

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Dann ging es zum Brunch ins Cafe Basilic, das sich auch mitten in der City befindet. Dort finden wir eine sehr schlichte Einrichtung vor und eine Galerie auf einer Art Maisonette. In jener Galerie finde ich die Motive meiner Graffitis wieder und stelle fest, dass man die Dinger für sauteures Geld kaufen kann. Einige davon gefallen wirklich sehr, aber so viel Geld habe ich dann leider wirklich nicht übrig.

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Mir war eigentlich gar nicht mehr so sehr nach Brunch, ich fühlte mich irgendwie komisch. Deswegen beließen wir es bei einem vegetarischen Brunch. Es hätte auch die Möglichkeit gegeben, dass wir einen Burger wählen und gleichzeitig den freien Zugang zum Buffet haben. Dass uns das zu viel ist, war sofort klar. Die Auswahl war sehr verschiedenartig und hat absolut gefallen. Wir haben auch Beide nahezu alles probiert – mit Erfolg! Sowohl Deftiges als auch Süßspeisen waren alle hervorragend, die Location absolut zu empfehlen!

Lediglich mein Gefühl passte irgendwie nicht so ganz und direkt nachdem wir das Café verlassen hatten fing es auch schon an. Ich hatte Bauchkrämpfe. So richtig. Das habe ich öfter mal, da ich mit einer chronischen Darmentzündung gesegnet bin. Insofern habe ich mir nichts weiter gedacht und spulte das normale Programm ab. Ab ins Auto und auf die Autobahn, zurück Richtung Deutschland.

Der Weg führte uns nur noch kurz innerhalb von Frankreich, wir befanden uns ja nahe an der belgischen Grenze. In Belgien wurde dann ein mal getankt und das erste Mal die Toilette aufgesucht. Das gefiel mir dann weniger. Im Laufe der Fahrt machten wir noch vier derartige Stops, allerdings nur noch einen weiteren inklusive Tankfüllung. Die Fahrt verlief ansonsten reibungslos und wir kamen gut durch, nur mein Zustand wurde immer unschöner. Ich versuchte viel zu trinken, doch eigentlich wurde mir von jedem Schluck übel.

Gegen 20.30 Uhr waren wir endlich wieder in Nürnberg angekommen. Ich warf mich sofort in bequeme und warme Klamotten, denn während mir auf der Fahrt die ganze Zeit heiß war und ich ein rotes Gesicht hatte, war mir nun eiskalt. Auch unter meiner Decke, trotz Pulli und Jogginghose. Mitten in der Nacht gesellte sich auch noch ein beinahe nicht mehr vorhandener Kreislauf dazu, so dass ich per Rettungsdienst ins Krankenhaus gebracht wurde und dort erst mal drei Tage isoliert verbringen durfte. Was für ein bescheuertes Urlaubsende!

Das Resultat nach drei Tagen war aber, dass ich mir einfach nur einen ganz normalen Magen-Darm-Virus eingefangen hatte, der sich in Kombi mit der chronischen Geschichte anders auswirkte als üblich. Die schlimmen Verdachte (Salmonellen, Noro-Virus oder Campylobakter) haben sich nicht bestätigt. Nach der Diagnose und einer teilweisen Besserung durfte ich wieder nachhause, zweieinhalb Wochen später bin ich wieder einigermaßen fit. Ganz deutlich nochmal: dieses unschöne Ende des Urlaubs hatte nichts mit Frankreich zu tun!!! Diesen Virus hätte ich mir zuhause in Nürnberg ebenso einfangen können.

Auf meiner Reise wurde ich von der französischen Zentrale für Tourismus unterstützt. Die Übernachtung im Grand Hotel Bellevue, die Tickets für das Fußballspiel in Lille und das Brunch im Café Basilic wurden vom Tourismusbüro in Lille übernommen. Vielen Dank für dieses großartige Erlebnis! Natürlich schreibe ich immer so, wie ich Dinge erlebt und empfunden habe, meine Meinung bleibt von einer Einladung unberührt!

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