Jakobsweg: Von Hallerndorf nach Effeltrich

16. April 2015
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Vor ungefähr zwei Jahren wollte ich den fränkischen Jakobsweg gehen, zumindest von Bamberg nach Nürnberg. Der Weg startet eigentlich in Kronach, aber so viel Zeit hatte ich nicht. Das ist ja immer die Krux eines Angestellten, die Zeit fehlt. Von Bamberg bis Hallerndorf habe ich es geschafft damals, nur eine einzige Etappe mit 27 Kilometern. Das lag daran, dass es so heftig regnete, dass das Wasser durch meine Hose und Socken in die Schuhe rann und meine Füße und Socken dadurch nass wurden. Um dem Wasser zu entgehen joggte ich ca zwei Kilometern mit nassen Füßen in meinen schweren Wanderschuhen. Ein böser Fehler. Meine beiden Fersen konnte man als Blase identifizieren und nicht mehr als Ferse. Fersengroße Blasen an beiden Fersen – und trotzdem versuchte ich es am nächsten Tag mit meinen Laufschuhen, die ich auch im Gepäck hatte. Ich konnte gehen, aber dabei war ich so langsam, dass ich das nächste Etappenziel niemals geschafft hätte. Daher habe ich die Tour damals abgebrochen.

Und nun nahm ich sie wieder auf. Ich hatte vier Tage frei und drei davon sollten für den Jakobsweg reserviert sein. Von Hallerndorf nach Effeltrich. Von Effeltrich nach Kalchreuth. Und von Kalchreuth nach Nürnberg.

Ich packte meine Kamera und Proviant und machte für Getränke noch einen Abstecher zum Supermarkt. Das Wetter schien gut, wenn es auch recht kalt war. Ich startete bei -4 Grad. Als ich im Bus ausatmete, beschlug das Fenster. Am Bahnhof zog ich noch einen Vanillecappuchino aus dem Automaten und stieg in den Zug. Ungefähr eine Stunde würde ich unterwegs sein. Schräg gegenüber von mir eine Gruppe von Herren im mittleren Alter, die offensichtlich auch nach Hallerndorf zum Wandern wollten. Ich musste schmunzeln. Es zeigte sich dann aber, dass sie eine andere Route hatten als ich.

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In Hallerndorf kannte ich mich ja bereits aus, da war ich ja schon mal. So fand ich von der Bushaltestelle aus schnell meinen Weg, der mich zuerst in den Wald „Untere Mark“ führte. Das war ein optimaler Einstieg, denn es bedeutete Alleinsein und Ruhe. Zwitschernde Vögel und meine eigenen Schritte, das waren die einzigen Geräusche für einen doch längeren Zeitraum. Ungefähr eine Stunde lang wanderte ich bergauf. Im Prinzip waren nur ungefähr 100 Höhenmeter zu überwinden, doch es zog sich ewig. Das empfinde ich persönlich als viel anstrengender als kurze steile Stücke.

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An einigen Stellen fehlte leider eine Wegmarkierung und generell war sie in diesem Abschnitt sehr spärlich angebracht. Bei der ersten Gabelung folgte ich einfach meinem Gefühl und es war richtig. Bei der zweiten kritischen Stelle trafen einige Wege aufeinander und ich musste mich entscheiden. Hilfreich waren mir hierbei die Wegweiser mit Ortshinweisen, denn das kurz vor der Kreuzung angebrachte Jakobswegschild hätte mich auf den falschen Weg gelotst.  Ein „Kontrollschild“ ein paar Meter nach der Gabelung suchte ich vergeblich und wanderte dennoch weiter. Ich hatte auch mit Google Maps kontrolliert, dass mein Weg wirklich nach Burk führte.

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Burk ist ein Vorort von Forchheim und mit dessen Erreichen machte ich nach knapp zwei Stunden die erste Pause. Sie war nur sehr kurz, denn es trieb mich weiter. Ich musste jetzt doch schnell diese große Stadt hinter mir lassen. Stadt, das wollte ich gerade doch so gar nicht. Natürlich ist Forchheim eine Kleinstadt, aber zu Fuß kann so etwas dauern, wenn man eine Stadt komplett durchqueren muss. Doch dann war ich positiv überrascht von Forchheim mit den alten Fachwerkfassaden und kleinen Gassen und der so gemütlichen Fußgängerzone. Beinahe hätte ich noch einmal gehalten, doch ich hatte ja gerade erst gefrühstückt, und irgendetwas trieb mich auch hier weiter. Weiter auf einen unschönen Teil. Am Forchheimer Bahnhof fehlt eine Markierung, was mir ein paar zusätzliche Meter, Fragezeichen in meinen Augen und einen Toilettenbesuch ermöglichte. Es gab nur zwei Wegoptionen und auch hier entschied ich mich dann intuitiv richtig.

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Allerdings brachte mir diese Entscheidung einige wirklich hässliche Meter ein. Zwischen Chemiewerk, Stadtwerken und Recyclinganlage lief ich an der Bundesstraße entlang, geradeaus mit ordentlich Fahrtlärm. Daher war ich froh, diesen Abschnitt wieder verlassen zu können und bog nach einer etwas ausgiebigeren Mittagspause in Richtung Fränkische Schweiz ab. Prognostiziert wurde mir ein langweiliges Wegstück durch eine lange Ebene ohne Abwechslung. Und so war es auch. Die Strommasten und ein frei stehender Baum auf Feldern waren noch die größte Abwechslung. Doch das war auch gut, das macht den Kopf frei.

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Ich kenne mich hier in der Gegend ja etwas aus, da ich bereits einige Male Jugendfreizeiten nur wenige Kilometer entfernt betreut hatte. Das half mir bei der Orientierung und war gleichzeitig auch Fluch. Der Weg war so meine ich ganz gut beschildert und so konnte man ja nichts verkehrt machen. Es ging über eine flache Ebene, immer weiter der Ehrenbürg zu. Die Ehrenbürg ist ein kleiner Tafelberg und wird hier im Volksmund „Walberla“ genannt. Schon viele viele Male war ich dort. Ich wusste, dass ich nicht bis zum Walberla musste, sondern dass der Weg daran vorbei führte, nach Pinzberg. Ich weiß ja wo Pinzberg liegt. Und dann stehe ich plötzlich an einer Abzweigung ohne Wegweiser. Ich checke mit Google Maps und bekomme Bestätigung, Pinzberg ist da vorne. Dann laufe ich eben ohne Wegweiser, Pinzberg ist ja schon in Sichtweite. Ich muss entweder im Vorfeld bereits einen Hinweis verpasst haben oder es gab bei der vorherigen Kreuzung einen falschen Hinweis oder ich habe die Abzweigung nicht ein mal als Abzweigung bemerkt. Was genau da los war weiß ich nicht. Doch an meiner Stelle hatte ich den Jakobsweg längst verlassen. Irgendwie hatte ich auch den Ort Sigritzau nicht mehr auf dem Schirm, sonst wäre mir das wahrscheinlich nicht passiert.

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Ich lief jedenfalls dann nach Pinzberg und konnte im ganzen Ort keinen Hinweis auf den Jakobsweg finden, nicht am Osterbrunnen und nicht an der Kirche. Auch nicht am Ortsausgang, an dem mein Etappenziel Effeltrich angeschrieben war. Noch vier Kilometer, obwohl das vorherige Schild nur drei Kilometer angezeigt hatte. Von Wanderweg weit und breit keine Spur. Ich hatte durch den Umweg bereits gut 18 Kilometer in den Beinen und keine Energie mehr, um noch nach einem Alternativweg zu suchen. Also lief ich den Rest der Strecke an der Bundesstraße entlang. Wirklich kein Vergnügen!

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Ich war dann nach einigen Metern so gefrustet, dass ich bei vorbeifahrenden Autos immer den Daumen raus hielt, doch es war Niemand so nett mich mitzunehmen. Also stapfte ich am Straßenrand entlang und ging immer wieder stoppend auf die Seite, wenn ein Auto entgegen kam. Ich war davon genervt und dabei zeigte sich, wie sehr Kraft doch Kopfsache ist. Ich mochte hier nicht mehr laufen und plötzlich ging es auch kaum noch. Meine Beine taten weh und mein Rücken noch viel mehr. Die Fußsohlen brannten und manchmal stolperte ich sogar etwas.

Kurz vor Effeltrich hatte ich dann noch richtig Glück. Ich sah ein Auto entgegen kommen und trat einen Schritt zurück. Der Autofahrer war sehr mit seinem Handy beschäftigt. Zu sehr, denn er kam leicht von der Fahrbahn ab, und riss dann am Lenkrad, um das Auto wieder zurück auf die Spur zu bringen. Wäre ihm das 50 Meter weiter passiert, hätte er mich mit voller Geschwindigkeit umgefahren. Das war nochmal ein Hallo-Wach-Effekt für die letzten paar Meter.

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Ich konnte nicht mehr, absolut nicht mehr. Ich schleppte mich noch in den Ort und wollte dann an der OMV-Tankstelle auf meinen tollen Service meiner Freundin warten. Die hatte nämlich angeboten, mich in Effeltrich abzuholen. Darüber bin ich wahnsinnig froh und sehr dankbar dafür. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich es mit Öffentlichen noch nach Nürnberg geschafft hätte. Warum überhaupt zurück nachhause? Weil die Fahrten deutlich kostengünstiger waren als eine Übernachtung gewesen wäre. Carina hatte sich allerdings etwas verfahren in Effeltrich, das größer ist als ich dachte. Daher musste ich noch eine Weile warten und kam ihr dann noch ein paar Meter entgegen. Stehen war nämlich schwieriger als Gehen. An einer Stelle, an der man mit dem Auto gut halten konnte stoppte ich dann doch und ich schaffte es nicht mehr, stehen zu bleiben. Für eine Weile setzte ich mich dann an den Bordstein. Als das Auto in Sicht war, war ich heilfroh. Ich war wieder aufgestanden, aber die Kraft für alles fehlte.

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Zuhause war mein erstes Ziel dann die Badewanne. Heißes Wasser und ein wenig Massieren tat den Waden und den Sprunggelenken und Knien gut (trotz meines jungen Alters bin ich ein arthrosegeplagter Mensch) und auch der Rücken entspannte sich wieder. Dann wurde noch gesund gegessen und somit war ich zwar müde, aber wieder einigermaßen fit. Beim Gedanken an die letzten Kilometer war mir aber trotzdem unklar, wie ich am nächsten Tag auch nur einen einzigen Schritt gehen sollte.

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