Meine beste Reise ohne Kinder

29. Juni 2018
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„Die besten Familientipps für Berlin“, „mit Kind quer durch Neuseeland“, „die besten Spielplätze in Toronto“, „so erlebst du New York auch mit Kind voll und ganz“. Ungefähr so sieht momentan meine Timeline auf Facebook aus. Ich lese unheimlich viele andere Reiseblogs, und einige davon sogar richtig gerne. Doch seit ein paar Monaten sprießen die Familienreiseblogs nur so aus dem Boden und ich habe manchmal Schwierigkeiten, unter all den Familienblogs mit kindgerechten Ideen noch Tipps zu finden, die auf unsere aktuelle Situation passen. Tipps für Leute, die ohne Kinder unterwegs sind. Stellenweise fühle ich mich davon beinahe etwas erschlagen. Daher kam mir die Blogparade zu den schönsten und besten Reisen ohne Kinder von [Vorsicht, unbezahlte Werbung! Mit einem Klick springt dich eine andere Website an. Leider muss ich das aktuell auf diese Weise kennzeichnen] meiner geschätzten Reisebloggerkollegin Ilona von  wandernd.de vor einigen Tagen gerade recht. Dieser Blogbeitrag hat also eine etwas ungewöhnliche Vorgeschichte. Ich schreibe heute nicht über eine aktuelle Reise, sondern ich greife eine ältere Reise wieder auf, weil sie so wunderbar zu diesem Thema passt.

Bereits bei der Ankündigung kamen Diskussionen auf und Teilnehmern wurde teilweise schon im Voraus unterstellt, sie seien sicher Kinderhasser. Deswegen muss ich vorweg nehmen, dass das in unserem Fall ganz sicher nicht so ist. Wir arbeiten Beide mit Kindern und Jugendlichen und auch in unserer Familie wird es Nachwuchs geben. Auch geht es hier nicht darum, dass Reisen ohne Kinder möglicherweise schöner wäre. Das ist schließlich Geschmackssache und ein Urteil darüber kann ich mir noch gar nicht so richtig erlauben. Zwar bin ich schon oft mit meinen Gruppen auf Freizeiten gefahren, aber eine Reise mit eigenen Kindern ist dann doch immer noch etwas Anderes. Ich erzähle hier schlicht von meiner vermutlich besten Reise ohne Kind, die mit Kind so nicht möglich gewesen wäre.

Indien. Wir haben März 2013 und ich fliege von Nürnberg aus via Istanbul nach Mumbai. Unterwegs bin ich nur mit Handgepäck. Mein Rucksack fasst 29 Liter, und darin verstaut sind neben meinen Klamotten und einer Kamera auch ein eigenes Moskitonetz und ein Schlafsack. Was Klamotten angeht, bin ich Minimalist und Rationalist und gerne auch so unterwegs. Überhaupt besitze ich beispielsweise nur zwei lange Hosen. Es kann mir also nicht passieren, dass ich bergeweise zu viel mitnehme. Früh am Morgen geht es mit dem Flieger los und mit etwas Zeitverschiebung lande ich frühmorgens in Mumbai. Es ist kurz nach vier Uhr. Die Einreise ist erstaunlich schnell erledigt. Es dauert etwas, bis ich indisches Geld in den Händen halte und zeitweise habe ich schon die Hoffnung aufgegeben, bis ich in einer Ecke doch noch einen Geldautomaten finde, der meine Kreditkarte akzeptiert. Mit dem gezogenen Geld steige ich in ein Prepaidtaxi und lasse mich in die Stadt bringen.

Der Kulturschock im ersten Moment ist groß. Ich suche im Taxi erst noch nach dem Sicherheitsgurt, merke aber schnell, dass es keinen gibt. Auch Verkehrsregeln und Ampelsignale sind in Indien eine Welt für sich. Eine Weile versuche ich, unterschiedliche Hupsignale der Fahrer zu erkennen. Alle Fahrer kommunizieren durch das Hupen miteinander, und obwohl sich auf dreispurigen Straßen nebeneinander fünf Autos, fünf Tuktuks und 20 Roller und Motorräder tummeln, ist doch genug Platz. Und jeder weiß durch das Hupen, wo sich die anderen Teilnehmer um einen herum gerade befinden. Es dauert nicht lange, bis ich meinem Fahrer vertraue und mich zurück lehne. Der Blick aus dem Fenster ist dann sozusagen der nächste Schock, denn die ersten Kilometer führen durch den Slum. Man sieht und riecht es. Nach und nach wird es kolonialer, und relativ pünktlich zum Sonnenaufgang spuckt mich mein Taxi am Gateway of India aus.

Dort setze ich mich erst mal auf die Mauer und beobachte das Treiben um mich herum. Überall gibt es Chai aus großen Kannen, auch wenn es um diese Zeit noch relativ leer ist. Für meinen ersten Tag in Mumbai habe ich mir den Besuch der Elephanata Island ausgesucht. Bis die ersten Barkassen über das Wasser schippern, muss ich noch etwas warten. Ich nehme das erste Schiff und fahre auf die Insel mit ihren Tempeln. Inzwischen bin ich seit 24 Stunden unterwegs und es wird doch ziemlich schnell ziemlich warm. Es dauert nicht lange, bis ich Mumbai im Smog kaum noch erkennen kann, und die Tempelinsel empfängt mich mit Mangrovenwald. Obwohl ich ja das erste Boot genommen habe, ist die Insel schon sehr voll. Scharen von Indern besuchen heute auch die Caves. Hinterher erfahre ich, dass ich mir den falschen Tag ausgesucht habe. Einen Tag, an dem auch alle Inder in ihre Tempel ziehen, dort beten und anschließend picknicken. Ich bin beeindruckt von den Höhlen an sich und davon, wie man vor so langer Zeit derartige Bauwerke in die Felsen schlagen konnte. Allerdings kommt nicht so richtig Stimmung auf. Durch die Menschenmassen ist es doch anders, als ich es mir vorgestellt habe. An einem Schrein wird man einfach nur vorbeigedrängt, wer sich nicht mit dem Strom bewegt hat verloren. Stehen bleiben ist unmöglich. Ich bin doch relativ froh, als ich dann am frühen Nachmittag alles gesehen habe und noch vor der Masse der Inder wieder in Richtung Mumbai fahre.

 

Auch am Gateway of India ist es inzwischen gerammelt voll. Ich beobachte noch ein bisschen und mache mich dann zu Fuß auf in Richtung meines Hotels. Mein Handy navigiert mich, auch wenn ich zwischendurch nicht mehr sicher bin, ob ich noch richtig bin. Man kann nichts falsch machen, wenn man in der richtigen Straße immer nur geradeaus laufen muss. Aber die Entfernung habe ich völlig falsch eingeschätzt. In meinem Hotel habe ich ein kleines Zimmer, viel mehr als das Bett und eine dröhnende Klimaanlage befindet sich nicht im Raum. Mumbai ist doch relativ teuer, viel mehr gibt mein Reisebudget nicht her. Ein eigenes Bad habe ich nicht, zum Duschen und zur Toilette muss ich erst mal über den ganzen Flur. Ich nutze die Dusche und ziehe wieder los, denn ich habe nicht nur erst einen halben Liter Cola getrunken, ich habe heute auch noch nichts gegessen. Während ich zurück ins Leben den Colaba Causeway entlang laufe, wird es bereits dunkel. Für den ersten Abend habe ich mir das Leopold’s ausgesucht. Ein Besuch hier musste unbedingt sein, da das Leopold’s in [Wieder unbezahlte Werbung, der Link führt zu Amazon und gibt mir eine kleine Provision, wenn du dich für den Kauf des Buchs entscheidest] Shantaram  eine Schlüsselrolle spielt. Shantaram habe ich schon mehrere Male gelesen und es hat mich so neugierig auf Indien gemacht, dass ich mich überhaupt zu diesem Trip entschlossen habe. Meinen Hunger habe ich eigentlich schon übergangen, daher esse ich nur ein Sandwich und trinke mein erstes indisches Bier. Viel mehr schaffe ich auch nicht mehr, denn ich bin schon 32 Stunden auf den Beinen. Im Hotel falle ich ins Bett und versuche zu schlafen. Die Klimaanlage ist allerdings so laut, dass auch Ohropax nicht hilft und ich sie am Ende einfach abschalte. Dadurch wird es im Raum zwar unerträglich heiß, aber immerhin kann ich schlafen.

Am nächsten Morgen bin ich früh wieder auf den Beinen. Die Dusche hilft mir, sozusagen zum Leben zu erwachen und dann bin ich auch schon wieder unterwegs. Heute will ich Mumbai erkunden. Zunächst laufe ich wieder den Colaba Causeway entlang. Diesmal habe ich genug Flüssigkeit dabei, so mache ich mich zu Fuß auf den Weg. Erst geht es wieder die zwei Kilometer bis zum Gateway of India und von dort in das Fort Viertel. Der Gegensatz zwischen Colaba und dem Fort Viertel könnte kaum größer sein. In Colaba sehe ich Menschen, die an der Straße auf einer oder unter einer Plane leben. Und nebenan gibt es koloniale Prachtbauten mit teuren Hotels, Colleges und Nobelmarken. Ich will wegen Shantaram auch zum Marine Drive und zum Chowpatty Beach und laufe daher munter weiter. Am Ende des Tages werden es ungefähr zwanzig gelaufene Kilometer sein. An den Verkehr habe ich mich sehr schnell gewöhnt und sehr schnell bewege ich mich mit dem Strom. Es gibt aber auch Stellen, wo ich beinahe alleine unterwegs bin. Ein junger Mann meint, mich eine Weile begleiten zu müssen. Er fragt mich aus und ich bin nett, aber trotzdem deutlich abweisend. Am Ende möchte er mir unbedingt einen Tempel in der Nähe zeigen. Ich werde noch eine Nummer deutlicher und dann zieht er wieder von dannen.

Nur ein kleines Stück des Strands ist wirklich sauber, die meiste Zeit laufe ich an ziemlich viel Dreck vorbei. Am Nariman Point gefällt es mir jedoch recht gut. Zwar hat man auch von hier aus Blick auf den Slum, aber hier treffen sich junge und alte Menschen, viele kleine Grüppchen sind unterwegs. Man plauscht, es gibt Picknick und zum ersten Mal fallen mir die bunten Kleider der Frauen so richtig auf. Hier sehe ich auch zum ersten Mal, dass die traditionellen indischen Kleider nicht nur sehr farbig sind, sondern auch relativ viel Haut zeigen. Das hatte ich so nicht erwartet und bin richtig überrascht. Ich versuche mich mit meinem Smartphone an Panoramabildern, doch selbst mein bestes Ergebnis ist sehr fehlerbehaftet. Heute tut sich die Technik da wesentlich leichter.

Auch den zweiten Abend verbringe ich im Leopolds und beende meine Zeit in Indiens Hauptstadt damit sozusagen würdig. Am nächsten Morgen verlasse ich die Stadt in Richtung Norden, zumindest für einen Tag. Über das Hotel versuche ich einen Fahrer zu organisieren, bekomme aber nur unzureichende Angebote. Zwar telefonieren sich die Jungs an der Rezeption kurzzeitig die Finger wund, aber unter eintausendachthundert Rupies will keiner zu meinem Ziel fahren. Also verlasse ich das Hotel und spreche auf der Straße Taxifahrer an. Die ersten paar Fahrer winken ab und wissen gar nicht, wo mein Ziel eigentlich liegt und wie man dort hin kommt. Dann habe ich aber Glück. Der Sanjay Gandhi National Park soll es werden und mein Fahrer sagt ja. Ich verhandle mit dem Fahrer und scheine dabei sehr gut zu sein. Wir hatten eigentlich einen Preis ausgemacht, doch dann bekommt er anscheinend doch etwas Schiss und bittet mich, sein Taxameter anschalten zu dürfen. Das ist für mich völlig in Ordnung. In meinem Lonely Planet verfolge ich den Weg, den er fährt. Der Fahrer spricht nur sehr rudimentär Englisch, versucht mir aber sehr viel zu erklären. Auch lässt er mir die Wahl, ob wir den Sea Link mit Maut nehmen wollen oder durch die Stadt. Ich entscheide mich für den schnelleren Weg und lege die Mautkosten oben drauf.

Am Park angekommen mache ich mit dem Fahrer einen Treffpunkt und eine Uhrzeit aus. Er wartet dort den ganzen Tag auf mich. Da ich mir dessen im Vorfeld nicht sicher bin, nehme ich meinen Rucksack mit in den Park. Es ist heute schon früh warm und dennoch schlage ich die vielen angebotenen Touren durch den Park mit dem Jeep aus. Ich möchte den Park selbst erobern, und zwar mit dem Fahrrad. Mein Ziel sind die Kanheri Caves, die sieben Kilometer vom Eingang entfernt liegen. Ich habe Wasser dabei, doch es geht auf Mittag zu und mein gemietetes Fahrrad hat keine Gangschaltung. Das war wirklich eine grandiose Idee von mir, es mit dem Rad zu versuchen! Sehr schnell habe ich nur noch ein paar Tropfen Wasser. Zwar kann ich die Caves schon sehen, aber den Weg dorthin eben auch. Und dieser geht stetig bergan. Deswegen entscheide ich mich um und fahre zurück. Es wäre einfach leichtfertig gewesen, den Weg mit nur noch zwei Schluck Wasser bei den äußeren Bedingungen anzutreten. Ich gebe mein Fahrrad wieder ab, fülle meine Flasche an einem Trinkwassercontainer auf und begebe mich zum Safari Point. Dort startet eine Tiger und Löwensafari durch den Park. Auch das habe ich mir etwas Anders vorgestellt. Wir fahren in einem vergitterten Fahrzeug, aber die Tiere leben letztendlich in einem Käfig, auch wenn dieser etwas größer ist als in deutschen Zoos. Das Positive an der Safari ist, dass ich mit zwei Amerikanern ins Gespräch komme, die für den heutigen Tag einen Fahrer innerhalb des Parks gemietet haben. Sie bieten mir an, mich zu den Kanheri Caves mitzunehmen. Ich nehme das dankbar an und komme doch noch in den Genuss der Höhlentempel.

Als Dankeschön lade ich meine beiden Gönner auf ein Getränk ein. Direkt neben den Caves gibt es nämlich einen kleinen Shop, und dort haben wir eine große Auswahl an Getränken. Aus der Ferne konnte ich die Caves sehen und den Weg dorthin, nicht aber den Laden. So hätte ich es auch mit dem Fahrrad schaffen können, aber hinterher ist man immer schlauer. Am Parkeingang verabschiede ich mich von den beiden amerikanischen Reisenden und suche meinen Taxifahrer. Und alles hat so geklappt wie vereinbart, er steht dort und strahlt mich bereits an. Wir fahren zurück in die Stadt und ich schlendere noch durch die Straßen. Ein drittes und letztes Mal geht es ins Leopold’s und danach zum Chhatrapati Bahnhof, der im Volksmund immer noch Victoria Terminal heißt. Obwohl die Engländer ja schon lange weg sind. Am Bahnhof sitze ich noch eine Weile in einem Warteraum. Dort komme ich mit einem Mädchen ins Gespräch. Das ist gar nicht so einfach, denn sie spricht wenig Englisch. Zwar befinde ich mich in einem Warteraum nur für Frauen, aber kleine Jungen dürfen ihre Mütter begleiten. Jungen erhalten in Indien bessere Bildung, und so übersetzt der kleine Knilch neben uns. Ich bin lange die einzige Weiße im Raum und werde von Allen neugierig gemustert. Im Gespräch erfahre ich viel über die Zwangsheirat und die Einstellung dazu. Mein Gegenüber will kaum glauben, dass man sich in Europa seinen Partner selber aussuchen darf. Und ich will kaum glauben, dass sie wirklich felsenfest davon überzeugt ist, dass ihre Mutter schon den richtigen Mann für sie wählen wird. Ihre Mutter liebt sie schließlich, gibt sie zu bedenken. Einen falschen Mann kann sie also gar nicht erhalten.

In meinem bereits im Vorfeld gebuchten Nachtzug nach Goa mit Konkan Railways habe ich eine Pritsche ganz oben gewählt. Als alleinreisende Frau ist dies die sicherste Variante. Man liegt deutlich über den Köpfen der vorbeigehenden anderen Reisenden, außerhalb von Blicken und auch außerhalb vom schnellen Griff im Vorbeigehen. Da ich in meinem Eck auch noch die Erste bin, bin ich schnell auf meiner Liege verstaut. Meinen Rucksack nutze ich als Kissen, Decken liegen aus. Sie sind etwas kratzig, aber funktionieren gut. Das müssen sie auch, denn die Klimaanlage läuft auf Hochtouren und lässt sich nicht drosseln. So wird es selbst im heißen Indien doch empfindlich kalt.

Eigentlich sollten wir sehr früh in Goa ankommen, und ich wache kurz vor dem geplanten Stop auf, raffe meine Sachen zusammen und springe mehr oder weniger vom Bett. Doch der Zug hält nicht. Als wir durch einen Bahnhof fahren und ich den Ort google, sehe ich dass wir noch ein Stück entfernt sind. Unser Zug hat ungefähr zwei Stunden Verspätung. Wieder auf mein Bett zu kraxeln, das ich so überhastet verlassen habe, ist mir irgendwie peinlich. Also bleibe ich an der Zugtür stehen. Zugtüren sind in Indien grundsätzlich offen. Immer wieder kommen andere Reisende und schauen nach draußen und auch ich beobachte die Landschaft während der Fahrt durch die offene Tür. Dabei schlägt diese durch das Ruckeln des Zuges immer wieder zu und öffnet sich wieder.

 

Am späteren Morgen steige ich in Goa aus dem Zug. Ich will nach Arambol und muss bis dahin noch ein paar Kilometer zurück legen. Gemeinsam mit zwei deutschen Backpackern, die ich am Bahnhof kennen lerne, teile ich mir ein TukTuk nach Arambol. Eine Unterkunft habe ich auch bereits im Vorfeld gebucht. Den Start wollte ich unkompliziert haben. So ganz hat das aber nicht geklappt. Da wo meine Unterkunft sein sollte, klaffte ein großes Loch zwischen den anderen Anlagen. Ich frage mich durch und erfahre, dass meine eigentlich aus kleinen Bambushütten bestehende Unterkunft in diesem Jahr gar nicht aufgebaut wurde. Ich stehe also erst mal ohne Unterkunft da. Also laufe ich ein wenig durch Arambol und schaue mich um. Ich finde eine hübsche Hütte in einer ebenso hübschen Anlage zu einem einigermaßen annehmbaren Preis und schlage zu. Diese Hütte wird nun also für eine Nacht mein Zuhause sein.

Arambol wurde mir als noch recht ursprünglich beschrieben. Ein Ort mit echten Hippies. So wie man sich Goa eben vorstellt. Bunte Tücher, Lebenskünstler, Freigeister. Viel davon finde ich ehrlich gesagt nicht. Zwar gefällt mir der Ort und der Strand ist wirklich schön, aber vom Geist der 68er kann ich nichts finden. Ich genieße heute einmal das süße Nichtstun. Abgesehen von einem Bad im Meer, während dessen ich meine Unterwasserkamera schrotte. Da ich nicht vor hatte, sie mit ins Wasser zu nehmen, habe ich ihre wasserdichte Hülle entfernt. Während ich schwimme, wirbelt der Wind aber meine Tasche durch den Sand und damit auch Sand in die Tasche. Und in das Kameraobjektiv. Ich versuche mich an der Reinigung, scheitere aber kolossal.

Einen Tag später will ich weiter nach Anjuna. Ich handle am Taxistand und stelle dann fest, dass ich beim Handeln schon erfolgreicher war als heute. Die Fahrt ist verhältnismäßig kurz. In Anjuna suche ich mir eine Herberge und erkunde danach den Ort zu Fuß. Anjuna hat einen völlig anderen Einschlag als Arambol. Dort hatten wir schwarzen Stein und weißen Sandstrand, alles war sehr flach. In Anjuna sind die Steine rötlich gefärbt, und die Bars reichen bis ins Wasser. Sie stehen auf Pfählen. In einer Travel Agency buche ich für den kommenden Tag eine Tour zu den Dudhsagar Wasserfällen. Anjuna gefällt mir und ich verbringe den Abend in verschiedenen Strandbars und schlürfe Chai und frische Säfte. Die Sonnenuntergänge am Meer sind alle zum Genießen, jeden Tag sieht es etwas anders aus. Generell verbringe ich sie aber in Bars mit Chai und Kingfisher, dem indischen Bier meiner Wahl.

Die Nacht ist extrem kurz, da ich mehrere Male von Ameisen in meinem Bett gestört werde. Die Biester laufen nicht nur über mich drüber, sie beißen auch zu. Das tut tatsächlich weh. Mehrere Male befreie ich mich und stopfe das Moskitonetz überall unter meine Matratze. Auf diese Weise bin ich dann irgendwann sicher. Am nächsten Morgen geht es trotzdem schon um 7 Uhr los in einem Sammeltaxi. Der Weg ist gerade für indische Verhältnisse weit. Unser Fahrer ist unberechenbar. Zwar habe ich mich inzwischen an den Verkehr gewöhnt, aber diesen Kerl verstehe ich bis zum Ende nicht. Er überholt an Stellen, wo er absolut nichts sehen kann oder gar in Situationen, in denen der Gegenverkehr schon gefährlich nah ist. Und an anderen Stellen, wo Platz wäre und man gut sehen kann, schleicht er hinter LKWs her.

Am Parkeingang steigen wir in einem chaotischen Auswahlverfahren in Jeeps mit neuem Fahrer. Wir fahren über eine harte Piste und mehrfach durch Wasser. Das Wasser spült auch durch unseren Jeep, aber im Boden gibt es ein paar Löcher, so dass das Wasser schnell wieder abfließen kann. Bereits im Wagen bin ich die einzige Nichtrussin und auch am Ausgangspunkt des Fußmarsches treffe ich auf Scharen von Russen. Die meisten tragen FlipFlops und tun sich mit dem kleinen Aufstieg über Geröll in Richtung Wasserfall schwer. Ich bin daher eine der Ersten und auch mit als erstes im Wasser. Das ist sehr frisch, tut aber bei den Temperaturen gut. Mit 310 Meter sind die Dudhsagar eine der größten Wasserfälle in Indien. Je nach Jahreszeit (Regenzeit oder Trockenzeit?) führen sie unterschiedlich viel Wasser und sind daher natürlich auch unterschiedlich imposant. Zum Schwimmen eignet sich auf jeden Fall die Variante mit weniger Wasser besser.

 

Erst am späten Abend sind wir wieder zurück in Anjuna, doch für ein Abendessen und Chai muss noch Zeit sein. Im Ort geht derweil die Post ab. Goa ist ja nicht nur für Hippies bekannt, sondern auch für elektronische Musik. In dieser Nacht war ich zwar schlauer in Bezug auf die Ameisen und habe mich gleich mit Moskitonetz verbarrikadiert, Schlaf finde ich jedoch trotzdem kaum. Die Beats dröhnen unaufhörlich bis ins Morgengrauen. Zum Glück habe ich für den Tag wenig Programmpunkte. Ich muss nur nochmal zur Travel Agency meines Vertrauens und laufe diesmal andere Ecken des Ortes ab. Für die folgende Nacht buche ich ein Ticket für einen Sleeper Bus. Ich halte das für eine hervorragende Erfindung und würde mir so etwas auch für Europa wünschen.

Mittags fahre ich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nach Mapusa, wo mein Nachtbus startet. Eine Fahrt mit dem Linienbus ist in Indien auch ein Erlebnis für sich. Der Bus ist extrem voll, zu viert teilen wir uns zwei Sitze und in der Mitte drängen sich haufenweise Stehende. In Mapusa schaue ich mich etwas um und lande dann auf dem Basar. Dort kann ich viel Zeit verbringen und bin wieder beeindruckt von den unterschiedlichen Gerüchen und Farben. Ich kaufe ein paar Gewürze und vor Allem eine kleine Umhängetasche.

Am Abend geht dann mein Bus nach Hampi. Die Fahrt dauert die ganze Nacht. Ich habe ein Einzelbett gebucht. Auf der linken Seite befinden sich Doppelpritschen, auf der rechten Seite die Einzelplätze. Auf beiden Seiten gibt es zwei Liegen übereinander. Auch hier nehme ich mein Gepäck zu mir als Kissen. In Anjuna habe ich ein großes Tuch gekauft und dieses kann ich hier als zusätzliche Decke benutzen. Ich liege direkt an einem Schiebefenster und so lange ich noch etwas erkennen kann, schaue ich aus meinem geöffneten Fenster. Als es dunkel wird und wir durch die Pampa fahren, schließe ich mein Fenster und auch meine Augen. Immer wieder schlafe ich ein und genauso oft wache ich auch wieder auf. Unser Busfahrer rauscht regelmäßig mit hoher Geschwindigkeit über Bodenschwellen -Speed Bumps. Manchmal bremst er vorher auch abrupt ab, doch auch dann spürt und hört man die Bumps noch deutlich. Im Bus gibt es keine Toilette und auf dem Weg nur einen Halt an einer Art Autobahnraststätte. Dort rennen wir alle auf die Toiletten. Wer außerhalb dieses Stops eine Toilette braucht, hat hoffentlich ein Gefäß dabei.

Am frühen Morgen kommen wir in Hampi an, wo ich mich zuerst auf den Weg in die Reisfelder und dann auf die Suche nach einer Unterkunft mache. Ankunft in Hampi ist pünktlich mit dem Sonnenaufgang und ich suche eine schöne Kulisse, um diesen zu genießen. Ich finde schöne Hütten, die mir aber zu teuer sind. Es wird dann ein kleines ordentliches Zimmer zu gutem Preis. Hampi ist eine Tempelstadt, UNESCO Weltkulturerbe. Die indische Regierung kam dann auf die glorreiche Idee, den Ort Hampi zu einer reinen Weltkulturerbestätte zu machen und den ganzen Ort umzusiedeln. Ein Teil der Einwohner wehrte sich zu dieser Zeit noch, doch andere Teile des hübschen Örtchens waren bereits moderne Ruinen neben den antiken Tempelruinen. Meine Unterkunft und haufenweise Reisfelder lagen in Hampi Basar. Um die Tempel zu besichtigen, muss ich mit einer kleinen Fähre übersetzen.

Am anderen Ufer werde ich von Scharen von TukTuk-Fahrern empfangen, doch ich wimmle sie alle ab. Wie so oft will ich alles zu Fuß machen. Und ich habe hier ein spezielles Talent entwickelt: ich mache alles in der sengenden Mittagshitze. Die Tempel faszinieren, sie sind voller Details und Verzierungen. Die Schuhe dürfen nicht mit rein, also laufe ich große Teile barfuß. Affen bevölkern die Anlage und sind frech, belästigen aber nur andere Besucher. Ich habe weder Essen noch Trinken noch Dinge wie eine Sonnenbrille an mir, so dass man mir auch nichts stehlen kann. Als ich mit der ersten Anlage fertig bin, gönne ich mir ein Mittagessen und viel Flüssigkeit und nehme auch eine Flasche Wasser mit. Ich erlaufe noch ein paar kleinere Tempel zu Fuß, doch die Hauptanlage habe ich gesehen. Also geht es zurück in Richtung Hampi Basar. Dort will ich für die nächste Nacht meinen Nachtbus nach Gokarna buchen. In einer Travel Agency erfahre ich dann, dass es in der gewählten Nacht keine Nachtbusfahrt in meine gewünschte Richtung gibt. Entweder ich bleibe noch einen Tag länger in Hampi, oder ich fahre bereits in dieser Nacht wieder nach Gokarna. Da ich nicht mehr viel Zeit in Indien habe, aber noch haufenweise Wunschprogramm, entscheide ich mich für eine Rückfahrt in Richtung Westen bereits in dieser Nacht. Zwar habe ich mein Hostel schon bezahlt, aber der Preis war gering. So ist das theoretisch kein großer Verlust.

Theoretisch. Bereits in Anjuna habe ich erfolglos versucht Geld abzuheben. Ebenso während meines kurzen Stops in Mapusa. Auch in Hampi spucken weder Geldautomat noch Travel Agency Bargeld für mich aus. Ich kann mit meiner Kreditkarte zwar wunderbar meine Busfahrt bezahlen, aber Bargeld habe ich keines mehr. Als ich meine Sachen aus dem Hostel hole, komme ich dort mit deutschen Backpackern ins Gespräch, die sich dann als meine Rettung erweisen. Ein Mädel drückt mir 2000 Rupies in die Hand. Damit würde ich erst mal und notfalls ganz über die Runden kommen. Als ich zurück in Deutschland bin, überweise ich das Geld sofort zurück und schicke auch eine sms, höre aber leider nie wieder von meiner Retterin.

Ich fahre nun also die zweite Nacht in Folge in einem Sleeper Bus. Allerdings gibt es bei dieser Fahrt noch ein paar seltsame und spannende Komponenten. Ich soll nachts um 3 Uhr in Gokarna ankommen. Als Frau. Alleine. In Indien. An einem mir nicht bekannten Ort. Dabei ist mir schon etwas mulmig, aber ich hoffe eben auch auf andere Reisende. Und tatsächlich läuft der Amerikaner Daniel durch den Bus und fragt jeden Reisenden, ob er nach Gokarna fährt. Ich reagiere sofort und wir machen uns bekannt. Der Kontakt hält bis heute und wir haben uns inzwischen auch in Amerika und in Europa getroffen. Ich weiß nun also, dass ich nicht mehr alleine in Gokarna ankomme. Der zweite Faktor ist mein gebuchtes Bett. Das ist nämlich bereits belegt, und der Fahrer will kurzerhand beide Passagiere aus dem Bus werfen. Ich habe aber ein reguläres Ticket und weigere mich. Die junge Dame, die mein Bett belegt, hat zwar auch ein Tickt, aber eigentlich für einen anderen Tag. Sie behauptet, sie habe ihre Fahrt umgebucht, über das ursprüngliche Datum wurde einfach drüber gekritzelt. Am Ende ist irgendwie aber doch für alle Platz. Ich liege wieder am Fenster und genieße die letzten Blicke auf Hampi. Inzwischen bin ich durch den Schlafmange so kaputt, dass ich trotz Speed Bumps tief und fest schlafe.

Auch in diesem Bus gibt es keine Toilette, aber eine Passagierin hat Durchfall. Der Busfahrer ist so gütig, ein mal mitten in der Pampa und mitten auf der Straße anzuhalten. Die Männer haben es nun einfach, sie stehen in einer Reihe am Straßenrand und pinkeln in den Graben. Ich bin kein Fan von Gruppenklogängen und wechsle die Straßenseite, will mich dort etwas im Straßengraben verstecken. Ich kehre allerdings schneller wieder um, als ich überhaupt auf diese Idee kam. Mehrere Hunde kommen laut bellend auf mich zugesprintet. Dann habe ich eben keine Wahl. Ich gehe hinter dem Bus in die Hocke und hoffe, dass nun kein Auto kommt. Dann könnte mir der Fahrer genau zusehen. Ich bin aber nicht die Einzige, die das genau so macht. Rückblickend eine ziemlich eklige Vorstellung, aber in diesem Moment hatten wir keine andere Wahl.

Dann ist es 2 Uhr nachts und der Bus hält an einer Raststätte. Alle Leute, die nach Gokarna wollen, müssen hier aussteigen. Daniel und ich wussten Beide nichts von Umsteigen, ich hatte sogar explizit danach gefragt. Aber der Busfahrer besteht auf „raus hier!“. Wie wir nun nach Gokarna kommen, fragen wir. Es heißt, ein Bus nach Gokarna würde kommen. Wann ist nicht bekannt. Wie er aussieht auch nicht. Oder eine Busnummer oder Ähnliches. So stehen wir da zu zweit, mitten in der Nacht auf einem Parkplatz irgendwo in Indien und warten darauf, dass hoffentlich bald ein Bus nach Gokarna kommt. Nach und nach gesellen sich mehr Backpacker mit unserem Reisezieh dazu, so dass wir irgendwann guter Dinge sind, dass es wirklich weiter gehen würde und wir nicht gestrandet sind. Es dauert noch eine Weile, dann kommt ein sehr klappriges altes Busmodell. Unser Gepäck – selbst mein Handgepäck – wird einfach auf das Dach geworfen und dort nicht weiter befestigt. Die Reihen im Bus sind so eng, dass man nur mit angezogenen Beinen sitzen kann. Wir sind inzwischen neun Leute, die meisten davon deutschsprachig. Einer sitzt ganz hinten und schaut angestrengt in die Dunkelheit, ob Gepäck vom Bus gefallen ist. Mit schätzungsweise 20km/h klappert der Bus eine Stunde bis Gokarna. Wir verhandeln, dass uns der Fahrer noch bis zum Om Beach fährt. Wir haben gehört, dass dort eine Bar die ganze Nacht geöffnet hat. Darauf hoffen wir, so dass wir zumindest nicht obdachlos sind.

Am Om Beach angekommen, merken wir gleich, dass die Bar leider geschlossen hat. Alles ist dunkel. Aber es öffnen sich sofort die Tore der ersten Herberge. „Need room?“ schallt es uns entgegen. Wir wissen, dass diese erste Herberge für indische Verhältnisse unverschämt teuer ist und haben auf Abzocke eigentlich keine Lust. Es ist vier Uhr früh, die Nacht ist nicht mehr lang, und dafür noch extra ein Zimmer bezahlen? Wir schauen uns hin und her an und dann kommt relativ einstimmig ein „no, we sleep at the beach“. Alleine hätte ich mich das nicht getraut, aber in der größeren Gruppe habe ich keine Bedenken. Zwei Franzosen verabschieden sich dann von uns. Daniel und die restlichen deutschen Backpacker suchen uns einen schönen Platz am Strand. Ich packe mein großes Tuch aus, das ich in Anjuna gekauft habe und beherberge darauf auch noch Daniel. Zwei Hamburger haben sogar ein Moskitonetzzelt dabei. Der Rest ist mit Isomatten ausgestattet. Wir machen es uns bequem und quatschen etwas, bis die Ersten einschlafen. Direkt neben uns hat sich ein Straßenhund postiert und bewacht uns. Erst kann ich das kaum glauben und kann daher auch nicht schlafen. Doch nach einer Weile merke ich, dass er wirklich immer Alarm schlägt, wenn ein Mensch auch nur in der Nähe ist. So gut wie in diesen Stunden unter freiem Himmel habe ich lange nicht mehr geschlafen! Und so schön war auch selten ein Anblick beim Aufwachen!

Am Morgen gehen wir noch zusammen zum Frühstück und dann sollen sich die Wege eigentlich wieder trennen. Doch wie es der Zufall will, hat ein paar Meter weiter ein Hostel noch für uns alle Platz! Wir nehmen also alle das gleiche Hostel und weil so ein Erlebnis zusammen schweißt, verbringen wir auch die ganze Zeit zusammen. Der erste Tag beinhaltet hauptsächlich den Austausch über die Reiserouten, frische Fruchtsäfte, Kingfisher und Schwimmen im Meer. Für das Abendessen gehen wir gemeinsam wieder ein paar Häuser weiter. Als dort der Strom ausfällt und es stockdunkel wird, erinnert sich Jemand an das Meeresleuchten. Es soll hier funktionieren, sagt man uns. Natürlich springen wir sofort ins Wasser, und es leuchtet tatsächlich. Sobald man sich im Wasser bewegt, beginnt ein Leuchten im bewegten Wasser. Das Schauspiel ist wunderschön! Es gehört zu meinen besten und intensivsten Naturerlebnissen bisher.

 

Am nächsten Tag versorgen wir erst mal einen Hund mit großer Wunde. Ob wir ihm wirklich helfen konnten weiß ich nicht. Aber wir haben es zumindest versucht. Nachdem wir in der Nacht zuvor so schön bewacht wurden, wollten wir uns irgendwie revanchieren. Der Hund spürt wohl, dass wir ihm wohlgesonnen sind und belgeitet uns dann lange auf unserem Trampelpfad in Richtung Half Moon Beach und Paradise Beach. Auch diese beiden Strände gehören noch zu Gokarna, sind aber schwer zu erreichen. Zwar kann man sie problemlos mit dem Boot anfahren, von Land aus muss man aber durch sehr unwegsames Gelände. Ich habe mein Tuch dabei und hänge es mir über die Schultern. Als wir anfangen müssen, ein wenig zu klettern, steige ich immer wieder auf das Tuch oder bleibe daran hängen. Also schlage ich es mir wie einen Turban um den Kopf. So ist das Foto entstanden, was viele Jahre mein Profilbild war.

Der Paradise Beach gefiel mir besonders, obwohl er nicht mehr ist, was er mal war. Oder vielleicht gerade deswegen. Denn der Paradise Beach war früher berüchtigt für wilde Parties und Drogenexzesse. Von Land aus schwer zu erreichen, so dass Kontrollen durch die Polizei nur vom Wasser aus möglich waren. Dabei wiederum wurden die Kontrolleure schon sehr früh gesehen und bis sie letztendlich am Paradise Beach angekommen waren, waren Spuren beseitigt und alles schien relativ normal. Der Regierung war das ein Dorn im Auge, weswegen sie die dort ansässige Bar vernichten ließ. Heute gibt es noch ein paar Mauern und Bruchstücke davon und eben den Strand an sich. Die Brandung ist hier jedoch so stark, dass es einem die Beine im Wasser weg zieht.

Eigentlich wollte ich heute schon weiter, denn ich hatte nur noch drei wirkliche Tage in Indien, und ich wollte noch nach Munnar und Cochin und in die Backwaters. Straffes Programm. Ich habe es aber nicht übers Herz gebracht, die Gruppe vorab zu verlassen. Also hänge ich noch eine Nacht in Gokarna dran und streiche dafür Munnar von meiner Liste. Das muss ich bei einem zukünftigen Besuch nachholen. Dementsprechend habe ich aber noch einen weiteren Abend in Gokarna, und der hat sich gelohnt. In den letzten Tagen haben wir und mit einer Schmuckverkäuferin quasi angefreundet. Ja, wir haben auch von ihr gekauft, und das war sicher auch ihr Ziel. Aber sie hat Daniel mit einem Naturheilmittel gegen seinen entzündeten Cut vom Bouldern versorgt, und das Zeug wirkte wirklich sehr schnell. Wir haben durch Gespräche mit ihr viel über Indien erfahren, besonders auch über die Ruinenstadt Hampi. Sie und ihre beiden Geschwister gehören nämlich zu den von der Regierung Vertriebenen, die ihre Häuser und ihr Hab und Gut durch Abriss verloren haben. Später am Abend wird es zünftig. Es gibt Old Monk Rum. Es gehen Gerüchte durch die Reihen, dass man durch den Rum erblinden könne. Heute weiß ich, dass er ganz normal industriell gefertigt wird und inzwischen sogar nach Deutschland vertrieben. Old Monk ist der am drittmeisten verkaufte Rum der Welt. In diesem Moment ist es für mich aber ein absolutes Highlight und ich nehme für meine Familie direkt noch Flaschen mit.

Am nächsten Morgen ist es dann wirklich so weit. Auch hier am Strand gibt es ein kleines Reisebüro. Es befindet sich ein paar Meter weiter in einem Container und beherbergt darin auch noch ein Internetcafé. Dort erkundige ich mich nach Zugzeiten. Etwas später holt mich ein Tuk Tuk ab und es geht über Stock und Stein zum Bahnhof zur Gokarna Road Station. Von dort soll mich ein Zug in Richtung Süden bringen. Mein Ziel heißt Udupi und dafür will ich ein Ticket haben. Der Herr am Schalter schüttelt nur den Kopf. Es gibt keinen Zug nach Udupi, nur einen nach Mangaluru. Mangaluru liegt noch etwa 60 Kilometer weiter südlich als Udupi, deswegen nehme ich dann eben diesen Zug.  Udupi nun zu verpassen gefällt mir zwar auch nicht, aber eine andere Wahl scheine ich nicht zu haben. Dieser Zug sollte laut Plan auch in Udupi halten, aber der Herr ist sich ganz sicher: Udupi gibt es nicht.

Ich kaufe mir ein 2nd Class Ticket nach Mangaluru und merke dann bei der Fahrt relativ schnell, dass ich besser etwas mehr Geld investiert hätte. Erst ist der Zug gerammelt voll. Menschen sitzen auf der Gepäckablage und stehen dicht gedrängt. Ich mag das ja nicht besonders, aber ich habe keine andere Wahl. Später ergattere ich sogar einen einzelnen Sitzplatz. In Indien sollten Schultern und Knie von Frauen bedeckt sein, wenn man respektvoll gekleidet sein möchte. Mit einem normalen T-Shirt liege ich hier im Soll, aber meine Hose rutscht im Sitzen doch immer wieder über die Knie. Ich ziehe und zupfe also relativ regelmäßig an mir herum, was von der Frau gegenüber mit wohlwollendem Blick bedacht wird. Es dauert nicht lange, bis ich nicht mehr sitzen kann, aber die Fahrt dauert stundenlang. Es gibt keinerlei Polsterung, ich sitze einfach direkt auf einer Holzplanke. Das scheint Niemanden um mich herum zu stören, aber mir tut relativ schnell alles weh. Die Zeit vergeht, und ich habe das Gefühl, dass mein Zug irgendwie nie ankommt. Langsam geht die Sonne unter, als der Zug wieder in einen Bahnhof einfährt: Udupi. Ich überlege kurz, ob ich tatsächlich aussteigen soll. Aber es ist bereits Abend, Zeit für Besichtigungen habe ich hier heute sowieso nicht mehr. Also entscheide ich, dass ich für die nächsten 60 Kilometer noch im Zug bleibe und auch Udupi auf einen weiteren Besuch in Indien verschiebe. 170 Kilometer ungefähr liegen ja schon hinter mir, so lange kann es bis Mangaluru nicht mehr dauern, denke ich. Das allerdings war ein großer Irrtum. Ab Udupi fährt der Zug unglaublich langsam, und für den kurzen Abschnitt bis Mangaluru braucht er beinahe genauso lange wie für die davor absolvierte fast dreifache Strecke.

Es ist schon stockdunkel, als ich in Mangaluru ankomme. Ich habe bisher kein Hotel und ich stehe unter Scharen von Indern etwas verloren im Bahnhof. Dann entdecke ich zwei andere Backpacker und renne ihnen ein wenig hinterher, bis ich sie eingeholt habe. Auch sie haben noch kein Hotel. Kurzerhand checken wir ihren Stefan Loose und meinen Lonely Planet und wählen ein Hotel. Wir steigen zu dritt in ein TukTuk und lassen uns am Hotel absetzen. Von Mangaluru sehen wir nichts. Das Hotel ist nobel und teuer, aber um diese Uhrzeit haben wir auf Suchen keine Lust. Mein Zimmer ist groß, hat einen Marmorboden und ein riesengroßes Bett. Mit den beiden Anderen vereinbare ich eine halbe Stunde später einen Treffpunkt, denn wir haben alle Drei seit dem Frühstück nichts mehr gegessen. Ich springe unter die Dusche und ruhe ein paar Minuten, dann geht es wieder los.

Erstaunlicherweise ist es gar nicht so einfach, ein Restaurant zu finden. Wir würden auch einen Straßenstand nehmen, aber es ist als seien die Bürgersteige hier hoch geklappt. Ich habe sofort das Gefühl, dass Mangaluru nicht mehr zu bieten hat, als ein Umsteigepunkt auf einer langen Zugstrecke zu sein. Es gibt einige Läden, aber überall sind die Rolläden herunter gefahren. Wir finden dann aber noch ein Restaurant, das für uns sozusagen erneut öffnet. Eigentlich haben sie gerade die letzten Gäste verabschiedet, aber wir dürfen noch. Ich entscheide mich für ein Biryani, eine Art Reispfanne. Diese ist wohl das unspektakulärste Essen meiner Reise, selbst kleine Sandwiches auf die Hand waren besser gewürzt. Aber es war eine Mahlzeit und wir waren dankbar.

Vor dem Schlafen gehen verabscheide ich mich, obwohl meine Mitbackpacker auch nach Cochin wollen. Sie haben aber viel mehr Zeit als ich und wollen ausschlafen. Ich springe früh wieder aus dem Bett und fahre mit einem Tuktuk wieder zum Bahnhof. Auch am Morgen sind alle Rolläden nach unten gezogen und ich frage mich, wann diese Stadt überhaupt lebt. Der Bahnhof tut dies definitiv, alles ist voller Menschengewusel. Ich brauche ein Ticket und gehe zum Schalter. Dort werde ich direkt wieder weg geschickt. Touristen müssen ihre Tickets an einem speziellen Schalter kaufen, der außerhalb des Bahnhofs liegt, ein Reservierungsbüro. Dort muss ich erst ein Formular ausfüllen und mich dann gemeinsam mit Drängeln gewöhnten Indern so lange nach vorne drängen, bis man mich registriert. Ich versuche also, mein Anliegen klar zu machen und werde abgewiesen. Für den von mir gewählten Zug kann man nicht reservieren, zumal er ja bald fahren soll. Ich müsste zurück zum Schalter. Dieses Spiel wiederholt sich nun mehrere Male, bis ich mich genervt weigere, den Schalter zu verlassen. Auch gibt es keine Tickets nach Cochin, ich komme nur bis Kannur. Das ist immerhin die richtige Richtung und ich stimme zu und kaufe ein 2nd Class Ticket. Ich hatte eigentlich aus dem Vortag gelernt, aber in diesem Zug gabe es einfach keine bessere Klasse.

Zwei Stunden später bin ich in Kannur. Dort schlendere ich um die Gegend des Bahnhofs und lande auf einem Basar. Ich finde eine Travel Agency und buche ein Ticket mit dem Zug von Kannur aus nach Ernakulam. Ernakulam ist mit meinem Zielort Cochin zusammen gewachsen und nur in Ernakulam gibt es eine Zuglinie. Dorthin kann man aber problemlos fahren. In Kannur kaufe ich mir Frühstück, obwohl es schon Mittag ist. Gegenüber vom Bahnhof ist ein großer Straßenverkauf, wo unheimlich viele Inder drängeln und kaufen. Wo Einheimische Essen an der Straße kaufen, da kann man bedenkenlos essen. Also stelle ich mich dazu und wähle ein paar Teile. Ich habe keine Ahnung, was ich da ausgesucht habe, aber alles sah lecker aus. Ich vertrage auch einiges an Schärfe, doch was ich hier in den Händen hielt, war so gigantisch scharf, dass ich es teilweise kaum essen konnte.

Um 17.30 Uhr soll der Zug in Ernakulam ankommen, um 19 Uhr ist es dann tatsächlich geschafft. ich habe demnach meinen zweiten Tag im Zug verbracht. Die meiste Zeit habe ich aus dem Fenster geschaut, und je weiter es nach Süden kam, desto größer wurden die Häuser, desto grüner wurde es an der Strecke und desto dicker wurden die Kühe. Ich rate Jedem Indienreisenden, mehrere Zugfahrten zu absolvieren. Zwar ist es immer wieder ein Abenteuer, an die richtigen Tickets zu kommen und die Kartenverkäufer an den Schaltern sind oft absolut ahnungslos, wo ihre Züge so hin fahren, aber dennoch kann man es ganz gut schaffen. Man bekommt durch die Zugfahrten viel vom Land mit, sowohl im Positiven als auch im Negativen. Besonders negativ fand ich den Umgang mit Müll. Nicht nur, dass überall Müll herum liegt. Wer im Zug Müll hat, wirft ihn einfach aus dem Fenster. Auch bei voller Fahrt. Das ist für mich sehr befremdlich, hier aber ganz normal.

Ein Hotel wird mit Lonely Planet gewählt und per TukTuk angefahren, darin habe ich jetzt schon Routine. Auch in Ernakulam ist mein Hotel eines der Besseren und Teureren, aber die Stadt ist generell recht teuer. An der Rezeption kann ich einen Trip in die Backwaters buchen und bekomme auch sonst noch ein wenig Info. Um 8.30 Uhr muss ich am Hafen sein. Also geht es wieder früh aus dem Bett. Am Hafen erfahre ich, dass das Schiff frühestens in einer Stunde fährt. Also suche ich mir noch Frühstück. Dazu laufe ich einfach durch die Straßen, denn bisher war es immer leicht, Essen zu finden. In Ernakulam nicht so ganz. Kerala ist nicht nur ein reicher und grüner Bundesstaat, sondern auch ein islamischer. Zwar ist in Indien alles bunt gemischt, aber als ich dann endlich eine Straße mit Cafés gefunden habe, werde ich ziemlich angestarrt. In jedem der Läden sitzen ausschließlich Männer. Ich betrete trotzdem einen, ordere Frühstück und esse alleine an einem Tisch, während ich von allen Seiten ungläubig und teilweise auch finster angestarrt werde. Dementsprechend verziehe ich mich wieder, sobald ich fertig bin und laufe zurück zum Hafen.

Auf dem Schiff komme ich recht schnell mit zwei älteren Damen aus Israel ins Gespräch. Wir tauschen und über unsere Erfahrungen in Indien aus und das wiederum lädt ein junges indisches Pärchen ein, uns noch weiter in die Kultur einzuführen. Sie sind kein arrangiertes Paar sondern wahre Liebe, und damit rebellieren sie vor Allem gegen ihre Familie. Noch schlimmer als die eigene Wahl ist nämlich die Tatsache, dass seine Kaste unterhalb ihrer liegt und er somit als Partner für sie gar nicht in Frage kommen dürfte. Das bedeutet für die beiden auch erst mal jahrelang Krieg und Kampf um die Liebe. Erst Jahre später wird die Beziehung von beiden Seiten akzeptiert. Spannend ist hier auch, dass sich die Beiden eigentlich gar nicht verstehen dürften, aber eine gemeinsame Sprache gefunden haben. Nicht nur jeder Bundesstaat hat seine eigene Sprache, auch innerhalb dessen gibt es je nach Kaste noch unterschiedliche Sprachen. Die Backwaters und was uns über die Lautsprecher davon erzählt wird, geraten schon fast zur Nebensache. Aus Zeitmangel habe ich nur eine Halbtagestour gebucht, jedem Reisenden mit mehr Zeit im Gepäck rate ich zu einer mehrtägigen Tour, wo man auch abseits der weiteren Gewässer unterwegs ist. Selbst die kleinen Einbliche waren schon sehr interessant.

 

 

Cochin ist bekannt für chinesische Fischernetze. Mit Manneskraft werden diese Netze ins Wasser gelassen und was noch viel schwieriger ist: auch wieder nach oben gezogen. Alle Fische, die sich dabei auf den Netzen befinden, sind dann Beute. Man kann sich vorstellen, dass es sich dabei um viel Aufwand für wenig Ertrag handelt. Und trotzdem wird auch heute noch damit gefischt. Sowohl in den Backwaters als auch im offenen Wasser und auch am Hafen in Cochin gibt es haufenweise dieser Netze. Ich finde sie vor Allem optisch schön.

 

Nach der Backwaters-Tour setzte ich mit der Fähre von Ernakulam nach Cochin über. Die Fahrt kostet umgerechnet drei Cent. In Cochin gibt es erstaunlich wenig Verkehr, gerade für indische Verhältnisse ist es sehr ruhig. Hauptsächlich Fahrräder sind unterwegs. Das ist der Vorteil der Lage im Wasser, erreichbar nur per Fähre und wenige einzelne Brücken. Auch optisch sieht Cochin gar nicht so sehr nach Indien aus. Eher vielleicht wie Portugal. Ich streife zu Fuß durch die Gassen, am Hafen mit all den Fischernetzen entlang. Cochin ist bunt. Das sieht man nicht nur an den Häuserfassaden, überall an den Straßen und auf den Plätzen finde ich kleine Kunstwerke.

Cochin und besonders der Stadtteil Fort Cochin gefällt mir, allerdings hat mich auch der Name etwas irre geleitet. Ein Fort wie man es sich bei uns vorstellt, habe ich nämlich nirgends gefunden. Dafür aber haufenweise Kolonialbauten der portugiesischen, holländischen und englischen Besetzer. Und was ich im Vorfeld auch nicht für möglich gehalten habe, ich besuche in Cochin eine christliche Kirche. Wieder bin ich sehr lange unterwegs und merke mal wieder nicht, dass ich meinen Hunger bereits übergangen habe. Glücklicherweise stolpere ich über ein kleines, nettes Restaurant und fülle dort meine Tanks wieder auf.

Was man immer wieder in Indien (und auch anderen Ländern in dieser Ecke sieht), ist ein großes Kabelwirrwarr rund um Strommasten. So auch in Cochin, dort fällt es mir sogar besonders auf. Es ist mir ein Rätsel, wie hier alles funktionieren kann, wenn man sich die Masten so ansieht.

Es ist schon dunkel, als ich wieder in die Fähre zurück nach Ernakulam steige. Eine Nacht noch im Hotel, und dann geht es am nächsten Morgen mit dem Tuk Tuk zum Flughafen. Dieser heißt auch Flughafen Cochin, befindet sich aber irreführenderweise nicht in Cochin selbst. Er liegt etwas außerhalb von Ernakulam. Eine Besonderheit hat der Flughafen, im Wartebereich stehen haufenweise Sessel in Reih und Glied. So kann man auf jeden Fall deutlich gemütlicher auf den Abflug warten, als auf Hartplastikschalensitzen.

Im Vorfeld hatte ich zwei Inlandsflüge gebucht. Einen von Thiruvananthapuram und einen von Cochin aus. Ich wusste ja nicht, wie weit ich es in den Süden schaffen würde. Der finanzielle Verlust durch den einen verfallenen Flug lag bei ungefähr zehn Euro, also kein Weltuntergang. Mit der indischen Fluglinie JetAirways hob ich dann ab und landete bei Dämmerung in Mumbai. Dort gibt es einen Bus, der vom Inlandsterminal zum internationalen Terminal fährt. Mit diesem Bus durfte ich auch fahren, durfte dann aber das Terminal nicht betreten. Ich sei zu früh, heißt es. Es war ungefähr 21 Uhr und mein Flug nach Istanbul ging erst früh am Morgen gegen 5 Uhr. Diese Zeit sollte ich nun im Gedränge vor dem Flughafen verbringen. Ich war unschlüssig, ob ich noch mal nach Mumbai rein fahren sollte, oder ob ich am Flughafen bleibe. Für eine Fahrt nach Mumbai hätte ich erneut Geld abheben müssen, denn genug hatte ich nicht mehr in der Tasche. Außerdem wäre ich ungefähr eine Stunde auf dem Hinweg und eine weitere auf dem Rückweg unterwegs gewesen, und das alles für einen Aufenthalt in Mumbai von vielleicht zwei relativ nächtlichen Stunden. Ich entschied mich zum Verbleib am Flughafen und fand einen Warteraum. Für den Eintritt dort opferte ich mein letztes indisches Geld. Das bedeutete aber auch, dass ich bis zum Abflug weder Essen noch Trinken kaufen könnte.

Dennoch hat sich der Raum für mich gelohnt, denn hier kann ich erst am Boden und später auf einer Liege etwas schlafen, bevor es in den Flieger in Richtung Heimat geht. Dennoch bin ich sehr müde, als ich mich auf den Weg zum Abflug mache. Das wirkt sich beim Security Check dann ziemlich negativ auf mich aus. Es gibt in Indien brav getrennte Schlangen und Geräte. Eine Reihe für die Männer und eine Reihe für die Frauen. Erst schiebt man seinen Handgepäck auf ein Förderband und dann geht man zu „seiner“ Kontrolle. Dabei vergesse ich leider ein paar letzte Münzen in meiner Hosentasche. Natürlich piepst es. Dabei fällt mir mein Fauxpas ein und ich nehme sofort die Münzen aus der Tasche und entschuldige mich. Ich dachte, jetzt könne ich einfach nochmal durch den Körperscanner gehen, aber falsch gedacht. Die Dame schaut mich finster an und sagt, ich müsse meine Schuhe ausziehen und durch den Scanner schicken. Also raus aus den Schuhen, zurück zum Anfang der beiden getrennten Schlangen gelaufen und meine Schuhe auf das Band gestellt. Dann laufe ich wieder durch meine Kontrolle und wieder piepst es. Die Dame sagt, ich muss meine Hose ausziehen und durch den Scanner schicken. Ich schaue sie mit großen Augen an, aber sie meint es ernst. Mache ich das nicht, komme ich hier nicht weiter. Also ziehe ich meine Hose aus und laufe wieder zum Anfang zurück. In der Unterhose. Vorbei an einer riesengroßen Schlange gaffender Männer. Ein erniedrigendes Gefühl, aber ich habe keine andere Wahl. Als ich dann ohne Hose durch die Kontrolle gehe, klappt es endlich. Am anderen Ende nehme ich Hose und Schuhe wieder entgegen und ziehe mich wieder an.

Mit dem Flug nach Istanbul gibt es keine weiteren Probleme, doch beim Umsteigen in Istanbul wird es nochmal hart. Mein Anschlussflug hat sieben Stunden Verspätung, und es gibt kaum Auskunft, keine Entschädigung, keine Gutscheine für Essen oder Trinken. Erst als ich in den Flieger einsteige, erhalte ich eine kleine Getränkedose als Kompensation. Glücklicherweise kann ich mir hier aber problemlos Getränke und Lebensmittel kaufen, hier funktioniert alles mit der Kreditkarte. Am heftigsten ist einfach die Zeit. Ich bin fast vierzig Stunden unterwegs, bevor ich in Nürnberg wieder heimischen Boden betrete.

In der kurzen Zeit konnte ich Indien nur ankratzen und es wird sicher noch mehrere Trips in dieses so vielfältige und spannende Land geben. Mehr Zeit und weniger einzelne Ziele, mehr treiben lassen, das wäre dabei sehr wünschenswert. Die zwei Wochen waren sehr anstrengend, und dennoch habe ich einige tolle Dinge erlebt und ebenso tolle Menschen kennen gelernt. Und bin um einige Erfahrungen reicher geworden. Und auch wenn es anstrengend war, ich bin gerne so unterwegs. Keine Pausen, viel Programm. So viel wie möglich aufsaugen, sehen und erleben.

Für die Blogparade habe ich diese Reise ausgesucht, weil ich so oft höre „ich würde ohne mein Kind ganz genauso reisen wie mit dem Kind“. Und ich sage dazu ganz klar: ich nicht! Was ich hier getan habe, würde ich keinem Kind antun wollen. Man kann ein Kind nicht mehrere Male über 30 Stunden auf den Beinen halten. Oder zwei mal in Folge im Nachtbus fahren lassen. Genauso wie ich mit einem Kind nicht unbedingt zwanzig Kilometer ohne Pause laufen würde. Oder es in der größten Mittagshitze auf ein Rad setze und durch die pralle Sonne fahren lasse, ohne Flüssigkeit. All das geht mit Kind nicht, aber all das mache ich unheimlich gerne!

 

 

 

 

 

 

 

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