24 Stunden von Bayern

6. Juli 2015
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Fragezeichen in den Augen. Ungläubige Blicke. „24 Stunden wandern? Du spinnst ja!“. Das war bei beinahe jeder Person in meinem Umfeld die Reaktion, als ich von meinem Plan erzählte. Die 24 Stunden von Bayern. Daran wollte ich teilnehmen. Vor zwei Jahren habe ich es schon einmal versucht, hatte aber kein Losglück. Und letztes Jahr habe ich mich verletzungsbedingt gar nicht erst beworben. Dieses Jahr wollte ich mich dann wieder bewerben, und dann kam alles anders.

Losglück? Warum braucht man zum Wandern Losglück? Nun, die 24 Stunden von Bayern sind ein großes Event, und es wird ein unheimlicher Aufwand betrieben. Es gibt Verpflegung und unheimlich viele Stationen auf der Strecke. Daher und aus Sicherheitsgründen muss im Vorfeld eine Teilnehmerzahl bekannt sein. Bei den 24 Stunden von Bayern nehmen 444 Läufer teil, aber es gibt eine Unmenge an Bewerbungen. Nur für 24 Stunden ist es überhaupt möglich, seine Bewerbung online abzugeben. Ich hatte mir den Tag im Kalender markiert, um ihn bloß nicht zu vergessen.

Dann war ich auf der ITB in Berlin und dort passierte für mich schier Unglaubliches. Ich wurde zu den 24 Stunden von Bayern eingeladen! Wie geil war das denn?! Ein größeres Geschenk konnte man mir nicht machen. Gedanken über die Streckenlänge oder darüber, wie ich die Nacht überstehe habe ich mir gar nicht gemacht, ich hab mich einfach nur bis über beide Ohren gefreut. Ich darf dabei sein.

Auf der Strecke kam ich mit einem anderen Wanderer ins Gespräch und er fragte nach, wie viele Journalisten und Blogger denn wohl eingeladen wären, denn das ginge ja alles von den 444 Plätzen ab und da verstünde er schon, dass es unter den Wanderern immer wieder hieß, dass die Platzvergabe nur Gemauschel sei. Ich muss daher hier einmal deutlich sagen, dass unsere Plätze nicht von den 444 abgezogen wurden sondern dass wir zusätzlich zu den 444 vom Losglück bedachten Läufern an den Start gingen. Dies möge sich nun bitte genauso herum sprechen wie der Blödsinn, dass sowieso alle Plätze von Anfang an vergeben seien.

Je näher die 24 Stunden rückten, desto aufgeregter wurde ich. Ich war schon oft gewandert, aber noch nie so lang am Stück. Ich kannte Mehrtageswanderungen mit Etappen über 30 Kilometern, wusste also, dass ich die Tagstrecke auf jeden Fall schaffe. Aber wie ist das dann mit der Nacht. Und wie ist das, wenn ich es nicht schaffe? Welche Ausrüstung nehme ich mit? Was hab ich überhaupt und was bräuchte ich noch? Am Sonntag nach der Rückkunft feiert meine Oma ihren 80. Geburtstag, halte ich das überhaupt noch durch?

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Bei meiner letzten Wanderung lief ich mit Mütze und holte mir einen ordentlichen Sonnenbrand. Glücklicherweise hatte ich noch einen Gutschein für ein großes Sportgeschäft in der Schublade. Davon kaufte ich mir einen Sonnenhut (und jetzt sehe ich aus wie auf Safari) und ein paar Proteinriegel und Powergels.

Da ich bei den letzten Wanderungen immer spätestens an Tag zwei von meinen Wanderschuhen auf meine Laufschuhe umgestiegen bin, ließ ich die Wanderschuhe gleich daheim und nahm nur die Laufschuhe mit. Wenn man 24 Stunden wandert kommt es auf jedes Gramm im Rucksack an, dachte ich.

Ich trinke unheimlich viel und ich wusste, dass im Starterpaket eine Trinkflasche enthalten ist. Doch die würde mir nicht reichen, vermutete ich. Ich nahm also eine zweite Flasche mit.

Jetzt hatte ich das Glück, dass ich nicht nur zum Wandern anreisen durfte sondern dass ich bereits einen Tag vorher etwas Kultur und Action im Zielgebiet erleben durfte. Schlossbesichtigung, Radtour, Hochseilgarten.

Doch wo ging es denn überhaupt hin, wo waren sie denn, die 24 Stunden von Bayern? Im Räuberland!

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Das Räuberland liegt im Spessart und ist ein kleiner Zusammenschluss der sieben Gemeinden Mespelbrunn, Heimbuchenthal, Dammbach, Weibersbrunn, Rothenbuch, Leidersbach und Eschau. Durch den Spessart bin ich schon häufig mit dem Auto gefahren, denn ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft ich früher in Frankfurt Frauenfußball geschaut habe. In Erinnerung geblieben sind mir vor Allem die Wälder, die im Herbst so wunderschön bunt gefärbt sind. Und natürlich die Autobahnraststätte. Viel mehr wusste ich nicht vom Spessart, also war das auch noch mal spannend, eine völlig neue Gegend kennen zu lernen. Den Spessart habe ich eigentlich schon immer nach Hessen gesteckt, obwohl ich eigentlich auch wusste, das Aschaffenburg noch in Bayern und sogar in meinem heimischen Franken liegt.

Bis auf Mespelbrunn kannte ich die Gemeinden im Vorfeld nicht, und in Mespelbrunn war ich noch nie, wollte aber schon lange hin. Das Wasserschloss lockte mich bereits seit einiger Zeit. Somit durfte ich ganz nebenbei auch noch ein lange gewünschtes Ziel abhaken.

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Am Donnerstag Abend wurde gepackt, Freitag um 10 sollte es los gehen mit dem Zug. Ich hatte erst über eine Anreise per Auto nachgedacht, doch nach 24 Stunden Wanderung wollte ich nicht mit dem Auto wieder zurück fahren müssen, das war mir zu gefährlich. Um 9 Uhr hatte ich noch einen Termin zur Wohnungsübergabe der alten Wohnung, die ich in den letzten Tagen noch in einen übergabewürdigen Zustand gebracht hatte. Das hatte viel Zeit und Energie gekostet, und ich war heilfroh, das Kapitel endlich abgeschlossen zu haben. Mit den 24 Stunden von Bayern ging es sozusagen los in ein neues Zeitalter.

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Am Bahnhof hab ich mir noch eben eine Sonnenbrille gekauft, weil ich Held das mal wieder zuhause vergesse hatte. Ist ja nicht so als hätte ich nicht bestimmt 20 Uvex-Sonnebrillen zuhause rumliegen. Gut gelaunt stieg ich in Nürnberg in den Zug, fuhr nach Aschaffenburg und traf dort bereits auf die ersten Mitstreiter. Kurz danach wurden wir von einem Shuttle eingesammelt und von Aschaffenburg das kleine Stück in Richtung Räuberland gebracht. Das ganze geht übrigens auch problemlos mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Der Bus 40 bringt einen in einer guten halben Stunde nach Mespelbrunn.

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Unser erster Stop war das Hohe Wart Haus. Mitten im Wald ein Gasthaus zu finden ist schon ein Spektakel an sich, dass es dann auch noch seine eigene Brauerei hat und an einem Wanderweg liegt, der mit einem Wildschwein markiert ist, erfreut mein Herz gleich noch mehr. Intuitiv probiere ich das dunkle Bier und liege damit nicht nur im Trend sondern auch richtig. Das Bier ist süffig und passt perfekt zu den angebotenen Speisen aus der Region. Besonders angetan hat es mir der Kochkäse. Das kannte ich bisher noch nicht und fand es einfach nur zum Reinlegen! Dies finde ich umso erstaunlicher, da ich den traditionellen Obatzten nicht mag, und im Prinzip ist das Ganze recht ähnlich. Den Kochkäse empfinde ich als milder, und vor Allem stinkt er nicht. Ein Bauernbrot und Kochkäse mit dunklem Bier, so einfach kann man mich offensichtlich glücklich machen.

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Da wir gut in der Zeit liegen, können wir noch einen kleinen Abstecher zur Wallfahrtskirche in Hessenthal, einem Mespelbrunner Ortsteil. Moment mal, Mespelbrunn liegt doch in Bayern und darauf ist man auch stolz. Wieso heißt dieser Ortsteil dann Hessenthal, frage ich nicht nur mich sondern auch den Mespelbrunner Bürgermeister, der uns stolz seine Kirche zeigt. Er erklärt mir, dass der Name mit Hessen rein gar nichts zu tun hat sondern ursprünglich von der Haselnuss kommt (Hesilndal) und sich im Laufe der Zeit verändert hat.

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Die Kirche birgt einen kleinen Schatz, nämlich ein Werk von Tilman Riemenschneider. Auch von außen ist sie sehr interessant, denn sie mischt diverse Stile bis hin zur Moderne und bringt diese in einen Einklang. Auch ist die Kirche Grabort der Echter, die in dieser Gegend eine wichtige geschichtliche Rolle spielten und uns immer wieder begegneten.

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Die Echter waren auch verantwortlich für den Bau des Schloss Mespelprunn, das wir als nächstes besichtigten. Das Schloss ist bis heute in Privatbesitz und doch kann man einige Teile davon besichtigen. Der Südflügel ist weiterhin bewohnt und daher der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Das Schloss war nicht schon immer ein malerisches Wasserschloss gewesen, so wie es heute da liegt. In den kriegerischen Zeiten vor einigen hundert Jahren, in denen der Spessart noch unerschlossen war, wurde die Gegend oft als Station auf Plünderungszügen verwendet. Im Jahr 1412 erhielt Ritter Hamann Echter das Landstück, auf dem das Schloss heute steht und baute dort eine Hütte. Erst einige Jahre später errichtete sein Sohn Häuser aus Mauerwerk und einen Turm. Der bekannteste Sohn der Familie Echter war vermutlich Julius Echter, seines Zeichens verantwortlich für die Errichtung des Juliusspitals in Würzburg und Gründer der Universität Würzburg. Im 30jährigen Krieg erlosch dann die männliche Linie der Echters und das Schloss ging an Maria Ottilia Echter, die dann den Grafen von Ingelhei mheiratete. Die beiden Wappen und Namen wurden zusammen geführt und noch heute heißt die Familie „Grafen von Ingelheim genannt Echter von und zu Mespelbrunn“.

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Wir erhielten eine kompetente Führung durch den Nordflügel und auch die Gräfin selbst begrüßte uns. Im ehemaligen Schlafraum wunderten wir uns zunächst über die Größe des Betts, bis wir aufgeklärt wurden, dass man damals aus Aberglauben im Sitzen schlief. Nur die Toten liegen, hieß es damals. Mir kam der Gedanke, dass mir das durchaus auch passieren könnte in der Wandernacht, dass ich im Sitzen einschlafe, wenn ich Pause mache. Trotz markanter Ausstellungsstücke beeindruckte mich die Außenansicht am meisten. Sowohl im Innenhof als auch von außen mit der Front im Wasser konnte ich mich nicht satt sehen. Malerisch hoch zehn und gleichzeitig nicht kitschig, für die Romantiker unter uns.

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Im Anschluss folgte ein genialer Programmpunkt! Es gab in Heimbuchenthal einmal die Pedalwelt – ein Fahrradmuseum, das gerade heimatlos ist und auf den Bau eines neuen Zuhauses wartet. Dennoch kann man dort Räder ausleihen, und was für welche! Zwei der Modelle konnten wir als Team testen und mein Platz war auf einem unglaublich schnellen roten Flitzer. Auf diesem traten wir zu fünft in die Pedale, und einer lenkte und bremste. Wir wurden extrem schnell und die Bremse war ziemlich heftig, so dass man sich richtig fest halten musste, wenn gebremst wurde, um nicht vom Rad zu fallen. Wenn man so ein Spaßrad zu einem zünftigen Anlass mit einem Bierfass fährt, sollte man wohl aus Sicherheitsgründen etwas langsamer tun. Wir aber waren begeistert und strampelten was das Zeug hält. Eine Wegbeschreibung hatten wir bekommen und schwer war es auch nicht, wir mussten immer nur geradeaus und dann ein mal abbiegen. Beim Abbiegen neigte sich unser Gefährt auf Grund unserer Geschwindigkeit deutlich zur Seite, so dass wir von der einen Seite fast wie beim Segeln unser Gewicht verlagern mussten. Dann waren wir an unserem Zielort angekommen. Wir waren so schnell, dass wir trotz der verhältnismäßig kurzen Strecke ungefähr zehn Minuten auf die Radler des anderen Gefährts warten mussten.

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Das Warten war aber gar nicht schlimm, denn an unserem Ziel erwartete uns eine Vielzahl verrückter weiterer Räder zum Testen. Ich probierte nahezu alle aus und kann keinen wahren Favoriten nennen, am ehesten vielleicht das Rad, welches im Korpus noch ein Scharnier hat, wodurch sich das Lenkverhalten extrem veränderte.

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Vom Rad ging es dann aufs Seil. Das Team von TS Outdoor in Heimbuchenthal hatte für uns einen Teil des Hochseilgartens präpariert und sich noch Niedrigübungen ausgedacht. Ich und meine Höhenangst! Deswegen hatte ich die GoPro im Gepäck, denn wenn ich schon im Hochseilgarten unterwegs bin, dann will ich das auch dokumentieren. Dummerweise hatte ich sie auch tatsächlich im Gepäck, welches bereits ins Hotel gebracht worden war. Macht aber nichts, denn dann kam doch alles anders als ich dachte. Zuerst gab es nämlich diverse Aufgaben zu lösen.

Unser komplettes Team musste auf eine Holzwippe steigen, und zwar von der Seite, ohne dass die Wippe den Boden berühren durfte. Es mussten also von links und rechts gleichzeitig zwei Leute aufsteigen. Bei jedem neuen Paar war das Ganze schwierig und eine wackelige Angelegenheit, zumal die Leute auch schwierig in „Gewichtsklassen“ einzuteilen sind. Und stolz können wir sagen: wir haben es geschafft!

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Die zweite noch viel spannendere Aufgabe war das Bewältigen eine Strecke auf dem Drahtseil, und zwar auch das komplette Team. Es gab ein paar Hilfsmittel und wir mussten uns im Vorfeld genau überlegen, wie wir sie einsetzen, denn lagen sie einmal am Boden, durften sie nicht mehr verlegt werden. Das galt auch, wenn man auf dem Weg eines der Hilfsmittel verlor, weil es beispielsweise beim Klettern aus der Tasche gefallen war. Mit viel Ideenreichtum und Zusammenhalt konnten wir den Parcour überwinden und unser komplettes Team vom einen bis zum Anderen Ende bringen. Es ist mit Worten kaum zu beschreiben, wie der Parcour gestaltet war. Ich kann aber sagen, dass die ganze Geschichte ziemlich tricky war und gleichzeitig aber auch sehr spaßig! Am besten: hinfahren und ausprobieren!

Danach ging es nach oben und ich entschied mich dann dagegen. Ich habe gezögert, doch beim Anblick der Elemente war mir klar, dass ich das so nicht schaffe. Bei diesem Park sicherte man sich nicht selber durch zwei Stahlseile am Karabiner sondern man wurde vom Boden aus mit einem Kletterseil gesichert. Das bedeutete auch, dass man sich oben mit den Händen nirgends festhalten konnte. Dieser Umstand sorgte bei mir einfach für Angst und dafür, dass ich Nein sagte.

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Ich nutzte das entstandene Zeitfenster, um etwas anderes auszuprobieren: Bogenschießen! Ich hatte vorher noch nie einen Bogen in der Hand und doch traf ich bereits mit dem zweiten Schuss gar nicht so schlecht. Allerdings hielt ich den Bogen noch etwas verkehrt, so dass die Bogensehne mit voller Wucht gegen meinen Oberarm schnalzte. Das tat wirklich weh und hinterließ einen ordentlichen blauen Fleck. Aus Fehlern lernt man und ab diesem Moment winkelte ich meinen Arm etwas an. Im ersten Moment hielt ich den Bogen für erstaunlich leicht, doch nach einiger Zeit wird doch der Arm müde. Dennoch traf ich zwei mal in den gelben Bereich, einmal ganz knapp am innersten Kreis vorbei. Ein Volltreffer gelang mir leider nicht, aber für den ersten Versuch war ich ganz zufrieden.

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Ich kehrte zu den Hochseilelementen zurück und war dann vom Mut einiger Kollegen beeindruckt. Mit verbundenen Augen auf einer Hängebrücke ohne Möglichkeit zum Festhalten, mit riesengroßen Löchern zwischen den Brettern. Die Kommandos für die Schritte (wie weit entfernt, wie viele Bretter kommen dann, steht man noch gerade) kamen von unten. Ihr Verrückten, die ihr das ausprobiert habt, ich zolle euch meinen vollsten Respekt!

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Und dann betätigte ich mich sogar noch im Hochseilgarten, nämlich zum Sichern. Einige Kollegen kletterten auf einen Stamm hoch, richteten sich dort auf uns sprangen ab. Und die mussten ja gesichert werden. Eine verantwortungsvolle Tätigkeit, und ich war voll dabei und fieberte auch richtig mit den Kletternden mit.

Im Anschluss fuhren wir ins Hotel Lamm, das uns für dieses Wochenende beherbergte. Wir waren in verschiedenen Häusern untergebracht und ich konnte von keiner Seite Klagen hören. Im Haus Birkenhof war ich gemeinsam mit ein paar anderen Bloggern untergebracht. Wir hatten nur das Pech, dass in einem der benachbarten Häusern Jugendliche eine Gartenparty feierten und wir fürchteten, auf Grund des Partylärms später nicht schlafen zu können. Die Unterkunft selbst überzeugte mich, der Landhausstil gemütlich und nicht zu rustikal und die Zimmergröße war für mich alleine im Doppelzimmer zur Einzelnutzung fast zu groß. Nun war frisch machen angesagt, denn kurze Zeit später ging es mit einem Spaziergang zu unserem Abendessen im Restaurant Zum Wiesengrund.

Zum Sektempfang kamen auch einige Bürgermeister und so kam ich mit dem Bürgermeister von Dammbach ins Gespräch, der uns sehr leidenschaftlich von den Spezialitäten seines Orts berichtete. Zum Einen war da der alte Schulweg, heute ein Europäischer Kulturwanderweg mit einer knackigen Steigung, die wir in der morgigen Nacht auch bewältigen sollten. Und dann sind da natürlich noch die Passionsspiele, bei denen jeder zehnte Einwohner von Dammbach aktiv beteiligt ist. Die Spiele finden alle fünf Jahre statt, zunächst im Jahr 2019, Tickets gibt es ab November 2018 und ich denke ernsthaft darüber nach.

Beim Essen selbst (in Buffetform und ausnahmslos lecker, und wieder dieser Kochkäse, diesmal zum Salat) ließ ich mir noch einige Tipps zur Ausrüstung geben. Ich war nicht sicher, welche Jacke ich tragen sollte. Ich hatte eine Segeljacke (meine einzige wasserfeste Jacke) dabei und eine Softshell. Letztere würde problemlos reichen, wurde mir gesagt. Die paar Tropfen Wasser, die ich auf so einer Wanderung abbekommen würde, könne eine Softshell locker wegstecken. Blasen an den Füßen waren natürlich großes Thema, einen eigenen Beitrag dazu findest du hier. Ich ging davon aus, mit meinen Laufschuhen keine Blasen zu bekommen, denn das war die Erfahrung der letzten Wanderungen.

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Am nächsten Morgen klingelte dann beim Wecker nicht, warum auch immer war mein Handy im „bitte nicht stören“-Modus. Dass es so etwas gibt wusste ich bis dato nicht. Ich war dennoch aufgewacht, nur durch Zufall. Ich machte mich fertig und schaute auf mein Handy und konnte es kaum fassen. In der Nacht um vier Uhr verließ ein Leben diese Erde und ich hatte es jetzt so direkt vor dem Frühstück erfahren. Nach Frühstücken war mir natürlich überhaupt nicht mehr zumute, ich wusste aber, dass es sein muss. Wer eine Mammutwanderung vor sich hat, kann nicht aus Trauer nichts essen. Ich zwängte also ein Brötchen mit Käse in mich hinein und einen Orangensaft.

Wenige Minuten später ging bereits unser Bus ins benachbarte Mespelbrunn, wo der Wandermarktplatz eingerichtet war, das Zentrum für alle Wanderer. Und da kamen auf einmal Leute zum Bus angerannt, die wir vorher noch nie gesehen hatten. Es gab einen offiziellen Wanderbus, der die Leute aus den umliegenden Orten zum Startpunkt brachte. Stark! Wir waren zwar nicht der offizielle Bus, nahmen aber trotzdem mit was nur Platz hatte.

Bereits bevor wir abfuhren setzte der Regen ein. Nicht nur so ein bisschen, es regnete so richtig. In Strömen. Der Himmel war grau verhangen, eine Wetteränderung nicht in Sicht. So sollten also die 24 Stunden von Bayern beginnen, im strömenden Regen. Na toll! Zusammen mit Katja und André (WellSpaPortal und Wellness-Bummler) suchte ich mir noch ein trockenes Plätzchen. Wie ärgerlich für die Veranstalter und die Leute an den Stationen. Wie ärgerlich für die Gegend, wenn es nun die Wanderveranstaltung verregnet, dachte ich zunächst. Und dann beeindruckten mich diese Menschen!

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Wer findet mich?

Wer findet mich?

Es war eine Mischung aus Enthusiasmus und stoischem Gleichmut, so wirkte es. Es wurde eine Rede gehalten, und die war auch wirklich ein paar Minuten lang. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sie auf Grund des Wetters gekürzt worden war. Der Startschuss war fulminant und mit Blasmusik ging es dann los. Nun ist Regen ja nicht gerade optimal für Instrumente, doch der Musikzug wanderte munter vor uns her, und zwar ein ganzes Stück. Dann stellten sie sich auf und spielten, während wir sie alle passierten.

Unser Dreierteam war weit vorne und dann gesellte sich noch Katharina dazu, die über die 24 Stunden von Bayern und auch sonst für das Magazin Outdoormind schreibt.  Zu viert legten wir die ersten Kilometer zurück. Wir waren ziemlich weit vorne, und das war auch gut so. Die Wege führten nur ganz selten und kurz über Asphalt. Wie Waldwege im strömenden Regen aussehen kann man sich vorstellen, und wie sie nach 444 Paar Füßen aussehen erstrecht. Wir liefen noch auf recht gutem Untergrund.

Dennoch waren meine Füße innerhalb der ersten Meter bereits klatschnass. Ich bereute, dass ich meine Wanderschuhe zuhause gelassen hatte. Ich hasse nasse Füße, doch auf Grund unserer Bewegung und meiner guten Durchblutung blieb ich warm, auch meine Füße. Sie waren halt einfach nass, und zwar komplett. Das galt dann nach nur kurzer Zeit nicht nur für die Füße sondern auch für meinen ganzen Körper. Die Softshell war wohl doch nicht so die beste Wahl, zumal sie schon seit Jahren nicht mehr wasserfest war. Nass bis auf die Haut, das hatte ich bereits beim Wandern, das kenne ich. Also weiter!

Katja war so lieb und lieh mir ihre Schutzhülle für den Rucksack, denn ihr eigener Rucksack war unter ihrem Regencape versteckt. So blieb der Inhalt meines Rucksacks trocken, vielen Dank hierfür! Nach ein paar Kilometern und einem kleinen Anstieg empfing uns die erste Verpflegungsstation mit Wasser und Schnittchen. Hunger hatte ich nicht, aber das Wasser und die Naturtoilette war sehr willkommen. Kurz nachdem wir uns unsere Flaschen geangelt hatten, hieß es es gibt nichts mehr. Die erste Station war also etwas unterverpflegt, bei allen weiteren Stationen war das aber kein Problem mehr. Und: die zweite Station war nur ungefähr einen Kilometer weiter, das war leicht zu schaffen. Ich stellte es mir ganz schön demotivierend vor, wenn man an der ersten Station ankommt und kein Wasser mehr da ist. Auf der anderen Seite hatte man ja auch Wasser im Rucksack und an allen weiteren Stationen konnte man sich bedienen, und zwar nicht nur an Wasser. Es gab so viele unterschiedliche Dinge, so viel konnte man gar nicht essen. Wir machten schon Witze, dass die Waage bestimmt am nächsten Tag fragen würde, ob man sie verarschen wolle, denn nach so einer Wanderung könne das ja nicht das Ergebnis sein.

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Das ist aber keineswegs eine Beschwerde, denn wir fühlten uns hier die komplette Strecke super versorgt. Und bespaßt! Denn es ging nicht nur um das leibliche Wohl, an fast jeder Station bekam man auch etwas Kulturelles oder Traditionelles oder Beides zu Gesicht.

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Die Ritter von Echter, das Fordern von Wegzoll an einer Brücke, ein Schnupftabakgeschoss, eine Falknerei und Kuhglockenmusik mit einer traditionellen Tanzgruppe, um nur ein paar Dinge zu nennen, versüßten unseren Weg. 30 Stationen auf knapp 38 Kilometer, das ist beste Unterhaltung!

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Eine der Stationen waren wahnsinnig drollig daher blickende Moorschnucken, die es sonst nur im Norden Deutschlands gibt. So durchnässt sahen sie gleich noch eine Nummer süßer aus und vor lauter Fotografieren verloren wir Katharina. Sie war einfach weg. Wir versuchten sie einzuholen, da wir davon ausgingen, dass sie bereits weiter gegangen war. Sie war eigentlich markant gekleidet, doch auch auf dem Weg vor uns konnten wir sie nicht entdecken. Jetzt wird mir gerade bewusst, warum Nikon mit Ferngläsern als einer der Hauptsponsoren der Veranstaltung aktiv ist. Mit einem Fernglas hätten wir sie möglicherweise erspäht. Ihr Handy war im Flugmodus, so dass wir einfach nur versuchen mussten, sie wieder einzuholen. Dies gelang uns leider nicht. Später erfuhren wir, dass Katharina auch auf der Suche nach uns war und davon ausging, dass wir vor ihr waren und sich beeilte, um uns einzuholen. So konnte das ja nicht klappen.

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Beim Mittagessen dann eben, dachten wir uns, und genossen bis dahin den Weg. Nachdem es uns zwei Stunden lang vollgeregnet hatte, wurde es nun langsam trocken. Zwischendurch schien es uns sogar, als entdeckten wir helle Stellen am Himmel.

Ich entdeckte leider auch noch andere Stellen, unangenehme. Durch die nassen Füße und Schuhe rutschte ich in meinen Laufschuhen am Berg hin und her und so entstanden Blasen am Fußballen. Wie ärgerlich! Dann hätte ich ja wirklich die Wanderschuhe nehmen können, wenn ich auch in den Laufschuhen Blasen bekomme. Bereits nach ungefähr sieben Kilometern spürte ich die Blase am rechten Fuß, und sie wurde immer größer. In mir herrschte ein Meer von Gefühlen, ein Wechselbad noch dazu.

Ich war beeindruckt von den Stationen und der Einsatzbereitschaft der Helfer. Ich war traurig ob des persönlichen Verlusts. Ich war wütend über die Blasen. Ich war frustriert vom Regen. Ich war motiviert was die Strecke anging. Ich war gespannt, was noch alles auf uns zukommen würde. Ich kann gar nicht beschreiben, welche Gefühle alle durch meinen Kopf spukten.

Mittags kamen wir dann an der Schlemmermeile an. Das Zelt war bereits ganz gut gefüllt, doch es gab keine Warteschlangen am Essen. Gegen unsere Wertmarken erhielten wir hier Verpflegung. Ich nahm zunächst Salat und Nudeln. Die Portionen waren sehr klein, aber das war auch gut so, denn es gab einige Leckereien, und auf diese Weise konnte man mehr Verschiedenes probieren. Ich entschied mich auch noch für das Wildragout, und während Salat und Nudeln einfach Standard waren, überzeugte mich das Ragout. Schade, dass ich es dann nicht mehr ganz geschafft habe. Außerdem wurden auch noch Suppe und Grütze angeboten.

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Auch beim Essen hatten wir Katharina übrigens nicht eingeholt, kaum zu glauben wie schnell sie war. Wir machten keine großartige Pause und liefen direkt nach dem Essen weiter. Und ich muss sagen, das war schwer genug! Mir geht es immer so, dass ich dann erst wieder in Schwung kommen muss, meinen Rhythmus wieder finden muss. Kurz tut mir dann alles weh und ich glaube, dass ich eigentlich nicht mehr gehen kann, doch wenn ich es dann tue, dann komm ich schon vorwärts.

Und dann kam das Fiese! Direkt nach der Mittagspause und vollgegessen mussten wir den Berg hoch. Genau genommen kann man im Spessart ja kaum von Berg reden. Es ist mehr ein Hügel, aber nach dem Essen fühlte sich das an, als müsste man einen 3000er erklimmen. Dummerweise spürte ich nun auch links bereits eine Blase und die rechts wurde immer größer. Demotivierend!

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Ich ließ mich aber weiterhin nicht aufhalten und stapfte einfach weiter, vorbei an der Schafherde, vorbei nach oben. Oben angekommen ließen wir die Fitnessrunde liegen, ich nahm aber trotzdem einen Poweriegel. Ich bekam gerade Kopfschmerzen und wusste, mit Zucker kann ich dagegen angehen und Ananas war einfach perfekt dafür. Ich nahm mir vor, die Blase einfach zu ignorieren. Auf der Strecke führte ich interessante Gespräche, mal etwas tiefergehend und mal einfach lustig, die Wellenlänge in unserem Dreiergespann schien zu stimmen. Die Steigung war überwunden und es ging über eine lange Distanz bergab, mal durch Matsch und mal über Forstwege. Der Matsch interessierte aber eigentlich nicht mehr, dreckig und nass war ich ja sowieso schon, zumindest meine Füße. Gegen Mittag war tatsächlich die Sonne raus gekommen und meine Jacke war wieder fast trocken, meine Hose sowieso schon längst. Ich öffnete irgendwann die Jacke, als mir wirklich zu warm wurde und kurz danach zog ich sie aus und lief im Funktionsshirt mit Kompressionsshirt darunter – eine optimale Kombination!

Ich fühlte mich eigentlich gut, hatte keine Muskelschmerzen, mein Knie meldete sich nur ab und zu und nur leicht und der Rücken schwieg komplett. Auf Grund meiner psychischen Verfassung ging ich von viel mehr physischem Leid aus und war positiv überrascht, dass dem nicht so war. Immer wieder kam mir dennoch der Gedanke, dass ich nachhause fahren sollte, um für meine Freundin da zu sein und mit ihr gemeinsam zu trauern. Ich hatte den Gedanken auch immer wieder verworfen, freute ich mich doch auf die Nachtstrecke und die Highlights der Strecke. Ich wusste von Liegestühlen mit Panoramaaussicht zum Sonnenuntergang, von Räuberüberfällen und einer Seilrutsche. Das wollte ich doch erleben. Und außerdem wollte ich die Tagstrecke und die Nachtstrecke absolvieren. Ein anderer Blogger lief zwischendurch im Stechschritt an uns vorbei. Als wir ihm zuriefen, dass er ja wahnsinnig schnell sei, bemerkte er im Vorbeieilen, dass sich die zusätzliche Fitnessrunde nicht so gelohnt habe wie der Hauptweg an sich. Wir dachten erst, dass er gerade einen Scherz gemacht hatte, aber er war wirklich bereits 12 Kilometer mehr gelaufen als wir und er rannte uns förmlich davon! Unglaublich! Wir dagegen fingen gut an und wurden immer langsamer. Nicht, dass wir nicht mehr voran kamen, aber dann wurden meine Blasen immer größer und ich versuchte, auf der Fußaußenseite abzurollen. Ich fühlte mich als Bremsklotz der beiden Kollegen und fühlte mich dadurch auch nicht mehr wohl.

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Gleichzeitig machte sich Ärger in mir breit über die Blasen. In normaler Verfassung hätte ich den Ärger weggewischt und die „scheiß drauf“-Mentatlität ausgepackt. An diesem Tag hatte ich dazu keine Kraft. Ich entschied dann, den Busshuttle zu nehmen und mich ins Hotel bringen zu lassen. Dort wollte ich in Ruhe entscheiden, wie ich nun verfahre.

Beim Warten auf den Shuttle bekam ich sehr nette Gesellschaft aus Nürnberg und ein antibakterielles Pflaster für meine inzwischen wirklich schmerzende Blase am rechten Fuß. Das Gefühl zu spüren wie eine Blase immer weiter wächst ist ein echt beschissenes Gefühl. Im Bus fühlte ich mich dann in meiner Entscheidung bestätigt und der Drang nachhause zu fahren wurde zu groß um zu bleiben. Im Hotel packte ich meine Sachen, und checkte aus. So wie ich war, noch in meinen Wanderklamotten nahm ich den Bus nach Aschaffenburg und von dort aus den Zug nach Nürnberg. Was mich in Nürnberg erwartete war bestimmt nicht besser als die Nachtstrecke, ganz sicher nicht. Es war aber leider nötig.

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Ein bisschen hoffe ich, dass die Wegmarkierungen erhalten bleiben und man die Nachtstrecke noch gehen kann. Ohne die vielfältigen Stationen ist das aber wohl nur halb so spaßig. Die Stationen haben die Strecke wirklich leicht zu gehen gemacht und einen umfassenden Einblick in das Räuberland gegeben. Ich war froh, dass ich Gast sein durfte und froh, dass ich ein Teil der 24 Stunden von Bayern 2015 war, auch wenn ich es nicht geschafft habe, die Strecke zu beenden. Es war ein grandioses Erlebnis und ich kann nur jedem Wanderer zu einer Bewerbung für das nächste Jahr raten! Die nächsten 24 Stunden von Bayern werden im Karwendel statt finden und ich hoffe sehr, dass ich dann wieder dabei sein darf. Mein Ziel fürs nächste Jahr: unter vernünftigen Voraussetzungen die Tag- und die Nachtstrecke bewältigen. Ohne zu beschummeln, also ohne Shuttle. Im Optimalfall bei tollem Wetter und ohne Blasen, aber das ist nebensächlich. Ich will es einfach nur schaffen.

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Aus dem Räuberland nehme ich viele tolle Eindrücke mit. Natürlich gibt es im Wanderalltag keine tausend Stationen auf der Strecke, aber auch die Strecke selbst hat sich gelohnt, und die kulturelle Vielfalt kann man sich dann ja am Abend oder an einem wanderfreien Tag holen. Eine Wanderwoche zu füllen ist hier gar kein Problem, ein Wochenende definitiv ein Muss! Gutes liegt so nah!

Zur Teilnahme an den 24 Stunden von Bayern 2015 und der dazugehörigen Pressereise wurde ich von Bayern Tourismus eingeladen. Ich bedanke mich bei Johanna, Diana und Flo für diese Möglichkeit und die tollen Erlebnisse. Auch bedanke ich mich beim Veranstalter Räuberland für die Organisation und den Enthusiasmus, mit dem man das ganze Event auf die Beine gestellt hat. Ebenfalls ein Dank gilt allen freiwilligen Helfern an der Strecke und an den Stationen, den Shuttlefahrern, den Musikanten und so weiter. Durch den Einsatz der Beteiligten wurde das Event zu dem, was es war. DANKE! Die im Beitrag verwendeten Fotos stammen von mir und von Bayern Tourismus.

Wer mich und/oder diesen Blog kennt, weiß dass ich unverblümt meine Meinung schreibe, egal ob ich eingeladen wurde oder nicht. Die 24 Stunden von Bayern waren tatsächlich einfach nur gigantisch!

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