Zechen und Koksen

27. November 2014
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Die Nacht in unserer Pension war recht kurz, einzig und allein deswegen weil sie recht hellhörig ist und ich einen sehr leichten Schlaf habe. Carina neben mir hat munter weiter geschlafen, falls man munter schlafen kann. Frühstück gab es in der Pension, doch wir wollten heute voll und ganz die Zeche Zollverein inhalieren und auch unser Frühstück dort einnehmen.

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So gegen 11 Uhr machten wir uns auf den Weg, und schon nach ein paar Metern wurden die ersten Fotos geschossen, schließlich waren wir direkt gegenüber. Der Lageplan verriet uns, dass eine der Gastronomien direkt ein paar Meter weiter war und wir wollten schließlich zunächst mal frühstücken, bevor wir die Zeche erkunden. Schon auf dem Plan wird deutlich, dass es sich um ein wirklich großes Gebiet handelt, dass in unterschiedliche Sektoren aufgeteilt ist.

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Unsere Gaststätte hatte noch geschlossen, allerdings nur noch eine knappe halbe Stunde, so dass wir die Zwischenzeit einfach auf dem Gelände verbrachten und in Richtung der ursprünglichen ersten Schächte liefen. Im Jahr 1847 hatte man begonnen, an diesem Standort nach Kohle zu graben. Wie wir nachher auf der Führung erfuhren, fand man im Umkreis überall ungefähr in 40 Metern Tiefe Kohle. Hier in Essen allerdings erst auf ungefähr 200 Metern, so dass zwischendurch doch immer wieder ans Aufgeben gedacht wurde. Es dauerte vier Jahre, bis man die Zeche dann im Jahr 1851 offiziell in Betrieb nehmen konnte. Und genau in diese Richtung liefen wir.

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Ob die dortigen Gebäude wirklich noch original sind oder im Laufe der 150 Jahre erneuert wurden, konnten wir leider nicht in Erfahrung bringen, da sich unsere Führung mit einem völlig anderen Teil der Anlage befasste. Ziemlich in die Jahre gekommen sah es jedenfalls aus in diesem Eck, aber charmant!

Dann wurde es Zeit zum Restaurant zurückzukehren, wobei uns zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst war, was für ein Restaurant das ist. Ich kam mir reichlich underdressed vor mit Jeans und Pulli schon während der ersten Schritte und auch später im Verlaufe des Essens, und auch die Preise spiegelten das Niveau wider. Dann brunchen wir wohl mehr oder weniger, das Frühstück fällt einfach aus und wir genehmigen uns ein frühes und teures Mittagessen. Ja, das wollten wir uns gönnen!

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Die Auswahl in der kleinen (gut so!) Karte fiel leicht und zur Überbrückung gab es dann Brot mit gesalzener Butter, also doch fast noch ein Frühstück vorne weg. Carina hatte Entenbrust mit Trüffelravioli an Orangenspitzkohl mit Maronenjus, ich entschied mich für Heilbutt auf Kürbisravioli mit Kürbischutney. Dazu gab es eine Rosé und einen Weißwein. Lange überlegte Carina dann noch hin und her, und dann sollte es doch noch ein Nachtisch sein. Baileys-Toblerone-Mousse auf Maronencrumble mit Aprikosen und Baumkuchen. Alles etwas exquisiter, und alles vorzüglich im Geschmack!

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Ich las relativ negative Bewertungen über den Service online, doch ich muss dem absolut widersprechen! Unsere Bedienung war schnell und freundlich, immer aufmerksam und hilfsbereit. Auf dem Weg zur Toilette ist Schmuck ausgestellt, den man auch erwerben kann. Carina berichtete mir von einer Kette, die ihr gefiel und ich entschied natürlich sofort, sie heimlich zu kaufen, während ich selbst zur Toilette ging. Natürlich sollte das unauffällig sein und im Optimalfall war die schöne Kette dann nicht einfach aus dem Regal verschwunden sondern es lag das gleiche Stück nochmal da. Ich erklärte kurz mein Anliegen und dann durchsuchte die Dame nicht nur alle drei Schränke (obwohl sie das entsprechende Set nur eben ohne die Kette bereits im ersten in der Hand hielt) sondern auch noch den Lagerraum. Es gelang mir lustigerweise dennoch, dass Carina zwar einen Verdacht hatte, allerdings nur auf Grund meines unstoppbaren Grinsens. Ich führe etwas im Schilde, das war sie sich sicher.

Nach dem Essen war es Zeit für unsere Führung, wir begaben uns also zum Ruhrmuseum und holten noch ein Ticket. Ich habe einen Ruhrtopcard und muss daher gar nichts bezahlen, doch wir sind ja zu zweit. 9 Euro bezahlt man für eine zweistündige Führung, ich finde das absolut in Ordnung.

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Ein paar Schritte müssen wir noch gehen und kommen auch hier an typischen Zechengelände vorbei. Ich frage mich noch, wie dieses Band denn bitte funktionierte, denn ich konnte mir die Funktionsweise nicht anders vorstellen, als dass dann ein Berg von Kohle aufgeschüttet wäre, darin sah ich wenig Sinn. Es war aber tatsächlich so, wie sich später herausstellte. Man musste nämlich auch Kohle lagern, ungefähr 55000 Tonnen Kohle lag immer auf Halde neben der Kokerei, die wir uns nun näher betrachteten.

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Hier muss ich gleich vorweg nehmen, dass uns nichts Besseres hätte passieren können als dieser Führer! Es handelte sich hierbei um einen ehemaligen Fahrsteigführer der Zeche Zollverein. Das war ein Ingenieursberuf und der oberste Leiter der jeweiligen Schicht, die gerade in der Zeche am Arbeiten war. Herr Siemann brachte es fertig, uns über zwei Stunden lang mit Informationen zu versorgen, ohne dass es dabei auch nur annähernd langweilig gewesen wäre. Mit persönlichen Anekdoten spickte er seine technischen Beschreibungen und mit einer gewaltigen Portion sanftem Humor machte er das ganze zu einer top Tour!

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In der Kokerei wird Kohle zu Koks gemacht, und es handelt sich dabei nicht um den weißen Koks zum Schnupfen sondern um Koks, das man zur Herstellung von Stahl benötigt. Dabei braucht es einen relativ großen Chemieteil, den wir außer Acht ließen. Die mechanische Seite alleine füllte bereits die zwei Stunden. Die Führung brachte uns auf das Dach der Kokerei, zeigte uns einen Kühlwasserausstoß einer anderen noch im Betrieb befindlichen Zeche in der Nähe, erklärte wie die Kokerei gebaut war und wie der Vorgang der Koksherstellung denn überhaupt funktionierte. Eine Führung durch einen Lost Place, der glücklicherweise so erhalten bleiben wird, da er von der Unesco mit dem Siegel Weltkulturerbe ausgezeichnet wurde. Als einzige industrielle Anlage in Deutschland übrigens. Ansonsten gibt es noch eine Landschaft (die Elbauen) und der Rest sind Kirchen.

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Nach unserer Führung mussten wir uns dann doch wieder etwas aufwärmen und besuchten deswegen das Café in der Kokerei. Warmen Kakao, einen mit Amaretto und einen mit Baileys, dazu eine Lebkuchenwaffel mit Zimtpflaumen. Gigantisch!

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Als wir das Café wieder verließen regnete es leider, so dass wir das eigentlich noch geplante Geocachen in der Anlange cancelten, uns im Supermarkt mit Proviant versorgten und in der Pension in der Dusche wieder aufwärmten und uns einen gemütlichen Abend machten.

Die Ruhrtopcard wurde mir kostenfrei von Ruhr.Tourismus zur Verfügung gestellt, und endlich komme ich dazu sie zu nutzen. Meine Meinung bleibt davon unberührt und wurde lediglich von unserem gigantischen Führer noch weiter ins Positive gepusht.

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