Aktiv in Kramsach

28. Oktober 2017
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Hauptberuflich arbeite ich in einer heilpädagogischen Wohngruppe für männliche Jugendliche. Sehr häufig hört man, dass Mitarbeiter gerade im sozialen Bereich ausgenutzt werden, wo man doch meinen könnte, dass der Mensch mit seinem Potential erkannt und als wertvoll erachtet und dementsprechend pfleglich behandelt wird. Doch von schlechter Bezahlung bis absoluter Überlastung am Arbeitsplatz gibt es haufenweise negative Assoziationen. Ich muss daher hier erst mal eine Lanze brechen für meinen Arbeitgeber, die Rummelsberger Diakonie, genauer der Teilbereich der RDJ, also Hilfe für junge Menschen. Die RDJ hat sich verpflichtet, jedes Jahr 1% aller gezahlten Bruttolöhne als Familienbudget zur Verfügung zu stellen. Jeder Mitarbeiter kann hier verschiedene Dinge beantragen, beispielsweise Zuschüsse für Kindergartenbeiträge oder zur Hochzeit. Im Rahmen des Familienbudgets werden auch jedes Jahr vier Familienfreizeiten nach Kramsach in Tirol organisiert. Zwei sind zum Skifahren im Winter und zwei im Sommer. Die Unterkunft mit Halbpension läuft hier über die Firma, nur die Getränke muss man selber übernehmen. Ich hatte bisher Glück, denn ich habe zwei Mal eine Anmeldung für uns ausgefüllt und wir durften zwei mal teilnehmen.

Kramsach ist von Deutschland aus sehr schnell zu erreichen. Vom Grenzübergang Kufstein sind es noch ungefähr 30 Kilometer. Theoretisch kann man sich die Vignette auch sparen, was wir aus Zeit- und Bequemlichkeitsgründen bisher nicht getan haben. Bekannte Spots in direkter Nähe sind der Achensee, das Zillertal und die Tiefenbachklamm.

Beim ersten Trip nach Kramsach im März hatten wir richtig Pech mit dem Wetter. Es regnete die komplette Zeit von Freitag Mittag bis Sonntag Mittag. Wir sind keine Skifahrer, wollten aber dennoch aktiv sein. Dieses Wetter hat es uns aber echt schwer gemacht. Trotzdem haben wir am Samstag den Achensee besucht, der auch bei diesem bescheidenen Wetter noch wunderschön war. Häufig wirken Seen auf mich beruhigend, der Achensee hat aber irgendetwas Anderes. Er wirkt kraftvoll, eher geheimisvoll und spannend. Die Wasserfarbe ist selbst bei diesen äußeren Umständen noch ein Traum. Leider sind wir unheimlich schnell trotz Regenjacken nass bis auf die Haut.

Trotzdem gehen wir noch einkaufen, denn österreichische Produkte sind in unserem Haushalt sehr willkommen. Dies gilt eigentlich für alle etwas exotischeren und fremdartigen Nahrungsmittel, und auch wenn es kaum zu glauben ist, aber auch aus Österreich kann man Produkte mitbringen, die man zuhause im Supermarkt nicht findet, obwohl man meint, dass der Unterschied gar nicht so groß sein sollte. Punschkrapferl beispielsweise habe ich in Deutschland noch nie gefunden. Haufenweise haben wir Getränke im Kofferraum, denn ich sammle Kronkorken für ein Projekt. Auch zuhause kaufe ich häufig Getränke auf Grund der Kronkorken, ohne zu wissen wie sie schmecken. Ebenso handhabe ich das hier in Kramsach. Jedes Getränk mit schönem Kronkorken kommt mindestens ein mal in unseren Einkaufswagen. So können wir zuhause haufenweise österreichischer Getränke durchprobieren.

Wir sind im Sporthotel Sonnenuhr am Ortsrand untergebracht. Unsere Zimmer waren bei beiden Trips groß, sauber und anständig ausgestattet. Es ist nichts Besonderes, aber es reicht völlig aus. Das Hotel hat Tennisplätze direkt am Haus und einen eigenen Wellnessbereich. Den Rest des Tages verbringen wir daher zum Aufwärmen und Entspannen in der Hotelsauna. Diese verfügt über zwei kleine Saunen, eine Infrarotkabine und ein Dampfbad sowie einen Ruheraum. Letzterer könnte etwas liebevoller gestaltet sein. Die Sauna wird bei Bedarf in Betrieb genommen, wenn man an der Rezeption Bescheid gibt, hat man noch ungefähr eine halbe Stunde Zeit bis alles warm ist. Beim zweiten Besuch haben wir auch einen Eimer mit Aufgussflüssigkeit inklusive Duft bereit gestellt bekommen. Musik gibt es keine, die vorhandene Stereoanlage mit CD-Wechsler wechselt die CDs zwar noch wunderbar, spielt sie aber leider nicht mehr.

Das Frühstück im Hotel gibt es vom Buffet, beim Abendessen werden meist Suppe und Dessert serviert, die Hauptgänge kommen ebenfalls vom Buffet. Mit der Auswahl und Qualität der Speisen sind wir zufrieden, der Service könnte etwas mehr auf Zack sein. Zwar ist das Personal sehr freundlich, aber man hätte vor Allem den Getränkeumsatz doch deutlich steigern können, und mit Getränken macht man bekanntlich großen Gewinn. Nach einem Tag mit Achensee, Ösi-Produktkauf, Sauna und leckerem Abendessen sind wir jedenfalls glücklich und zufrieden.

Bei der Hinfahrt haben wir bereits lange Staus an den Grenzen in Richtung Norden gesehen. Es wird Zeit, dass die Grenzen wieder geöffnet werden und Europa wieder zu einem offenen Europa wird, doch für diese Rückfahrt müssen wir uns etwas überlegen. Wir haben die Wahl zwischen der Landstraße durch die Berge Richtung Schliersee oder dem Weg über Kufstein und entschließen uns für die zweite Variante. Kurz vor Kufstein verlassen wir die österreichische Autobahn. Über der Stadt thront eine große und mächtig wirkende Festung, ein schönes Bild! Die Festung sollte man zu Pfingsten besuchen, wenn dort passend ein Ritterfest statt findet. Wir umfahren sie nur und stehen dann auch im Stau, trotz Ausweichroute. Wir stellen dann fest, dass auch hier im Stadtgebiet an der Grenze jedes einzelne Auto angehalten und kontrolliert wird, genauso wie auf der Autobahn. Dennoch kommen wir relativ gut voran und sind am frühen Abend wieder zuhause.

Bei unserem zweiten Trip sieht es wettertechnisch um Welten besser aus. Zwar zieht es jeden Abend zu und über Nacht schüttet es wie aus Kübeln, aber tagsüber haben wir bestes Wetter. Sonnenschein und wirklich warme Temperaturen, so kann man es sich gleich noch viel mehr gut gehen lassen.

Direkt nach dem Einchecken und einem erneuten Eindecken mit österreichischen Produkten fahren wir daher weiter an den Achensee. Wir haben die Wahl zwischen Schifffahrt über den See oder einer Fahrt mit der Dampflokbahn hoch zur Seespitz. Die Entscheidung fällt dann sehr simpel, denn wir haben kaum noch Bargeld in der Tasche, unser Barbetrag reicht nicht mehr für den Zug, für das Schiff aber schon. Also heben wir uns den Zug für einen zukünftigen Besuch in der Gegend auf und steigen aufs Schiff. Mit diesem fahren wir quer über den ganzen See. Es gibt sechs Anliegestellen, die wir nach und nach anfahren. Wir starten in Pertisau, kommen an der wirklich schönen Gaisalm vorbei und fahren weiter bis ans andere Ende des Sees zum Punkt Scholastika. Wir haben ein Rundticket und fahren auch wieder zurück, erleben den Blick auf die Berge also aus allen Winkeln. An vielen Stellen sieht man die Spuren kleiner Erdrutsche und vor Allem die Folgen der intensiven Regenfälle der letzten Tage. Dennoch bieten sich uns häufig wunderschöne Ausblicke. Besonders rund um die Gaisalm mit Steilwand im Hintergrund gefällt es uns. Leider haben wir nicht genug Zeit für einen Stop, auch das müssen wir noch nachholen. Zur Gaisalm gibt es wohl auch einen Wanderweg, der relativ an der Küste des Sees entlang führt, haben wir uns sagen lassen. Auch das steht für die Zukunft auf unserem Programm. Unsere Rundfahrt dauert zwei Stunden, danach ist Zeit fürs Abendessen.

Über das Essen habe ich ja bereits berichtet. Nach dem Essen genossen wir den Blick auf die Berge von unserem Balkon aus und vor Allem das Gewitter. Von diesem war auf unserer Seite zunächst nichts zu spüren. Kein Regen, kaum Wind. Am Horizont aber sahen wir die Blitze durch den Himmel zucken, die tiefschwarzen Wolken ins Tal ziehen und den schön verfärbten Sonnenuntergang. Während der Nacht schüttete es auch bei uns, doch am nächsten Morgen lockerte es bereits auf und zum Frühstück kamen die ersten Sonnenstrahlen.

Für den Tag stand eine geführte Wanderung zu den fünf Seen rund um Kramsach an. Mit zwei Guides besuchen wir zuerst die Wallfahrtskirche Marienthal und den dort innerhalb der Mauern befindlichen Friedhof und verlassen das Kirchengelände sozusagen zum Hinterausgang. Über einen Panoramaweg kommen wir zuerst zum Fraunsee. Dieser diente früher als Badestelle für die Nonnen, war also wirklich für Frauen reserviert. Der See ist klein und relativ schilfbewachsen, nicht besonders spektakulär. Weiter führte der Weg zwischen Krummsee und Buchsee hindurch, auch diese beiden Seen kann man unseres Erachtens nach unter „ferner liefen“ abstempeln. Nennenswert sind höchstens noch die wirklich unglaublich großen Karpfen im Buchsee. Dann sind es auch nur wenige Meter bis zum Reintaler See, und der macht dann direkt Spaß.

Der Reintaler See liegt am Bergrand, so dass wir ein schönes Panorama haben. Auf der einen Seite der Berg, auf der anderen Seite trotzdem nicht das Gefühl von versperrter Sicht oder Enge, mit blauem Himmel und Wasser. Dieses bietet eine wunderbar willkommene Erfrischung. Zwar war der Weg bis hierhin relativ flach und nicht anstrengend und auch das Tempo der Gruppe war auch angenehm, aber bei den doch hohen Temperaturen kommt kaltes Bergseewasser definitiv gut an.

Nach dem Bad geht es weiter und jetzt wird es kurz ein bisschen anstrengender. In kleinen Serpentinen geht es etwas bergauf bis zum sehr idyllisch gelegenen Berglsteiner See. Dort erwartet uns eine Hütte. Die beiden Guides verabschieden sich, sie haben noch 8 Minuten bis zur Abfahrt des Busses für den Weg, der ungefähr 15-20 Minuten in Anspruch nimmt. Sie sprinten. Wir kehren gemütlich ein, mit Blick auf den See auf der dortigen kleinen Terrasse. Es gibt Tiroler Gröstl für Carina und für mich Flammkuchen mit Pfifferlingen. Auch wir haben es dann etwas eilig, um den nächsten Bus zu erwischen. Dann ist Abfahrtszeit und ich realisiere, dass wir trotz schnellen Schrittes einfach noch viel zu weit weg sind. Der Bus fährt stündlich, und so haben wir nun plötzlich eine ganze Stunde Zeit. Diese nutzen wir mit intensiven Beobachtungen von Spinnen, Schmetterlingen und Bienen sowie Hummeln.

Es wird vor lauter Beobachtungen und Fotografieren dann sogar knapp mit der Abfahrtszeit des folgenden Busses. Wir sind also doch noch einmal in Eile, allerdings völlig umsonst, denn der Bus hat ungefähr 20 Minuten Verspätung. Wir gehen die Eindrücke des Tages im Kopf noch einmal durch und sind sehr positiv gestimmt. Da die Tour nicht den ganzen Tag in Anspruch genommen hat, nutzen wir am Abend wieder den Wellnessbereich zum Entspannen.

Für den nächsten Tag haben wir uns eine eigene Tour ausgesucht.  Unsere Unterbringung beinhaltet die Alpbachtal Seenland Card, mit der wir einige Ermäßigungen genießen und auch manche Seilbahnen kostenlos nutzen dürfen. Und genau das tun wir heute! Wir fahren mit dem Auto über Brixlegg nach Reith und dort mit der Seilbahn hoch auf den Reitherkogl. Reith selbst ist ein sehr schönes und idyllisches Örtchen, die Seilbahn ist angeschrieben und leicht zu finden. Wir parken kostenlos (generell, nicht auf Grund der Card) und steigen in die Bahn ein, die uns nach oben bringt.

Oben angekommen fühlen wir uns sofort ganz anders. Die Berge haben eine unheimliche Ausstrahlung, sie wirken auf uns extrem befreiend. Wir stehen da und schießen haufenweise Fotos, verbringen einige Zeit selbst mit dem Ausblick direkt von der Bergstation aus. Als wir uns halbwegs satt gesehen haben machen wir uns auf den Weg.

Wir wollen den Panoramaweg zurück nach Reith nehmen. Dafür geht es zunächst etwas bergauf und durch den Juppi Zauberwald. Dieser ist ein herrlicher Ort für jüngere Kinder. Im Wald sind einige Spielestationen verteilt, Spaß und Bewegung werden wunderbar miteinander kombiniert. Auch wir probieren ein paar Dinge aus, und besonders Carina ist natürlich von den Hexenfiguren im Wald angetan. Doch da wir noch Einiges an Weg vor uns haben, halten wir uns aber auch nicht zu lange auf.

Kurz nach dem Zauberwald erleben wir dann zum ersten Mal, warum es Panoramaweg heißt. Der erste wirklich weite Ausblick in zwei Himmelsrichtungen ist wunderschön. Noch begleiten uns einige andere Wanderer, doch unseren Weg haben sich wohl nur Wenige ausgesucht. Es wird immer einsamer, nur ab und an kommt ein Mountainbiker vorbei – meist bergauf und außer Atem. Ich ziehe meinen Hut vor deren Leistung! Der Weg soll laut Liste knapp 2,5 Stunden dauern, wir brauchen etwas mehr, legen aber auch einige Fotostops ein. Immer wieder macht er unerwartete Wendungen und bietet so einen neuen Blickwinkel auf die Umgebung. Dem Namen Panoramaweg macht er alle Ehre. Wir sind begeistert und glücklich, laufen den Kopf frei.

Da es beinahe pausenlos bergab geht, spüren wir in der letzten halben Stunde schon recht deutlich unsere Waden. Die Stimmung vermiesen lassen wir uns dadurch jedoch nicht, das schaffen nicht einmal die unheimlich penetranten und zahlreich vorhandenen Bremsen, die uns umschwirren und munter zubeißen, als wir wieder in etwas niedrigeren Gefilden unterwegs sind. Gegen Ende der Tour wird es allerdings richtig schlimm, man weiß gar nicht mehr, wo man zuerst hinschlagen soll, um sich zu schützen. Autan erweist sich als völlig wirkungslos in diesem Fall. Wir beginnen also zu joggen, so lange bis wir die Biester los sind und beinahe wieder zurück an unserem Auto angekommen sind.

Nach der Anstrengung haben wir uns etwas Entspannung verdient. Wir fahren also nach Wörgl und gehen dort in die Wörgler Wasserwelt. Es handelt sich um ein Erlebnisbad mit Sportbecken, Außenbecken, Wellenbad, Rutschen und mehreren Restaurants und Bars. Es gibt auch einen Spa-Bereich, doch unsere Alpbachtal-Karte erlaubt uns nur zwei Stunden Erlebnisbad. Nach unserer am Ende doch anstrengenden Wanderung wollen wir aber auch wirklich nur ins Wasser. Für uns ein völlig neuer Anblick war die Poolbar. Getränke wurden in das Schwimmbecken serviert, welches mit einigen Tischen ausgestattet war. Ich möchte gar nicht wissen, wie intensiv dieses Wasser gereinigt werden muss oder worin wir da eigentlich geschwommen sind. Im Vergleich zu uns bekannten Wellenbädern war der Wellengang übrigens sehr harmlos. Wer im Wellenbad tendenziell Angst hat, könnte es hier einmal ausprobieren. Wir massieren unsere Waden im Wasser und lassen es uns gut gehen.

Am nächsten Tag macht sich der Muskelkater dann erst so richtig bemerkbar, doch da geht es nur noch nachhause, so dass wir uns schonen können. Den Weg versüßen wir uns wie so häufig mit Hörbüchern, und so ist sogar der Stau kurz vor der Heimat erträglich. Am Grenzübergang übrigens geht es zwar etwas zäh, aber viele Autos werden einfach durchgewinkt, so auch wir.

Unser Fazit fällt sehr positiv aus, schon alleine weil die Berge zur Zeit eine besondere Faszination auf uns auswirken. Und Carina liebt Österreich ja sowieso, hat dazu einen ganz besonderen Bezug.

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