Streifzug durch Coburg

24. März 2016
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Ich bin das einfach nicht mehr gewohnt, so lange nicht unterwegs zu sein. Anfang Januar waren wir zum letzten Mal auf Tour, ein Wochenende haben wir in Hamburg verbracht. Mein Rhythmus sagt sowas wie „ein mal im Monat muss ich weg“, wenn er nicht nach „raus hier für ein paar Monate“ schreit. Ein mal im Monat ist nun aber schon fast drei Monate her. „Ich muss hier raus“ schrie innerlich alles, und so packte ich es an.

Schon ein paar Mal habe ich von meinem Dilemma berichtet. Wenn ich meinem Herzen folge und ein paar Monate abhaue, dann verdiene ich wenn ich wieder da bin im Monat ungefähr 800 Euro weniger. Im Monat! Nun hat sich meine Position ja auch geändert, ich finde wieder Gefallen an meiner Arbeit (durch eine interne Veränderung) und nebenbei studiere ich gerade noch. Noch ein Jahr. Mal sehen was dann ist und wie es dann weiter geht, aber bis dahin bleibe ich mal auf jeden Fall. Und die 800 Euro stecke ich eigentlich ins Reisen, sofern nicht wieder irgendwelche Waschmaschinen kaputt gehen oder Tierarztrechnungen bezahlt werden wollen. Nur gerade steht da noch unsere Hochzeit an. Sie findet Anfang Juli statt und bis dahin muss auch noch so gut wie jeder Euro zwei mal umgedreht werden. Also nichts mit 800 Euro in Reisen. Eher so null Euro in Reisen.

Es musste also eine Möglichkeit geben, mit möglichst wenig Geld möglichst viel zu erleben. Was liegt da näher, als sich eine Stadt in der Umgebung auszusuchen. Beziehungsweise eigentlich lief das sogar noch etwas anders ab. Ich spielte mit der Flixbus-App und stellte dabei fest, dass Coburg sowohl zeitlich als auch finanziell locker an einem Tag machbar ist. Für insgesamt vier Stunden Fahrt (weil zwei Zwischenstops gemacht werden) zahle ich 16 Euro und habe dann exakt vier Stunden Zeit in Coburg zur Verfügung. Das ist nicht allzu viel, aber Coburg ist auch nicht gerade die größte Stadt im Universum. Nebenbei habe ich auch noch einen Tag in München im April gebucht, für nen Zehner. Wunderbar!

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Ein gemütlicher Morgen Zuhause ist für mich auch eher ungewöhnlich, doch heute mache ich mal alles ein bisschen anders. Ein bisschen gemütlicher, ein bisschen weniger Hektik, ein bisschen weniger Geschwindigkeit und Stress. Ich will den Tag schließlich genießen. Die Fahrt mit dem Flixbus verläuft unspektakulär, obwohl wir in Bamberg Bus wechseln müssen. Und negativ anzumerken ist auch, dass das W-lan im Bus mal wieder nicht funktioniert bzw gar nicht vorhanden ist. Der Bus ist pünktlich und ich checke dann erst mal die Karten-App, wo eigentlich das Zentrum liegt. Das ist zu Fuß problemlos und schnell erreichbar und ich mache mich direkt auf den Weg.

Im Vorfeld nickte mein Umfeld anerkennend, als es hörte, dass ich nach Coburg fahre. Meine Erwartungen waren also recht hoch. Ich war vor einigen Jahren mal für einen Tag hier zu Besuch bei einer ehemaligen Kollegin, doch ich konnte mich mehr an das Bärlauch pflücken vor dem Haus und einen abgebrochenen Stöckelschuh am Abend erinnern (und an das Mädel, beziehungsweise daran dass sie ihren Schuh dann mit „du Arschloch“ beschimpft hat). An die Stadt selber hatte ich so gut wie keine Erinnerung.

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Was ich sehe gefällt mir erst mal, es ist ein bisschen kleinstädtisch, schön verwinkelt und verziert, gar verschnörkelt. Die Gegend wirkt ganz schön katholisch und weil ich hier in Oberfranken bin, wäre das gar nicht so ungewöhnlich. Doch Coburg ist sehr protestantisch und eng verbunden mit Luther. 60% der Einwohner sind evangelisch und nur 22% sind katholisch. Das hätte ich anhand des Stadtbilds anders eingeschätzt.

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Ich schlendere durch die Fußgängerzonen und kleinen Straßen und Gassen und lasse mich treiben. Ich laufe dorthin, wo ein Türmchen oder ein Fachwerk mir ein nettes Motiv verspricht und hangle mich so zum Schloss Ehrenburg. Selbiges beinhaltet die Landesbibliothek und ein Museum, aber ich will ja heute noch mehr sehen. Ich verzichte also auf einen Besuch im Inneren und gehe über den Platz auf Treppen zu, die zu einem Denkmal führen. Dort will ich hin. Am Denkmal selber sehe ich dann, dass der Weg zur Veste führt. Will ich da ebenfalls hin? Nun, wenn man in Coburg ist, muss man doch auf der Veste gewesen sein, oder? Ich habe nur vier Stunden Zeit und will auch die Innenstadt sehen, schaffe ich das überhaupt? Nein, bestimmt nicht.

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Was solls, ich drehe mich doch wieder in Richtung Veste und laufe einfach los. Der Weg führt durch den Hofgarten, und vor Allem führt er immer bergauf. Auf einem Schild entdecke ich, dass es sich hierbei um die Marathonstrecke Coburgs handelt. Sind die denn verrückt? Ich laufe mit ein paar Fotostopps fast 40 Minuten bergauf, inklusive Treppen, und die machen daraus eine Marathonstrecke? Ich weiß, wo ich definitiv nie Marathon laufen würde!

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Hier im Hofgarten wirkt alles noch winterlich. Ich entdecke Löcher an den Baumwurzeln mit Nüssen und Kastanien drin, sieht aus wie das Nusslager eines Eichhörnchens. Der Springbrunnen befindet sich ebenfalls noch im Wintermodus. Als ich nach gefühlten Ewigkeiten oben ankomme bin ich die Einzige, die keinen Wintermodus mehr hat. Mir ist warm!

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Die Veste lohnt sich schon auf den ersten paar Metern. Mauerwerk und Tore wohin die Blicke reichen. Unglaublich weitläufig ist das Areal hier, und gleichzeitig wirkt es doch klein und verwinkelt, weil es in unterschiedliche Areale abgetrennt ist. Ich besuche jeden Bereich und überlege dann, mir in der Cafeteria etwas zu gönnen. Der Weg bergauf war doch anstrengend und ich habe kein Getränk an Bord. Doch die Cafeteria ist leer und ich habe keine Lust, ganz alleine in einer so weitläufigen Halle zu sitzen. Also verlasse ich sie wieder und sehe mich weiter um. Auf dem Weg nach draußen komme ich dann an der Burgschänke vorbei. Diese sieht rustikal aus, und eher nach Schweinebraten als nach Nachmittagsgetränk, doch auf dem Schild steht „Kaffee&Kuchen“, also trete ich ein. Die Einrichtung ist dem Anblick von außen treu, die Bedienungen tragen Tracht. Alles ist aus dunklem Holz und zünftig. Doch es gibt Latte Machhiato und Apfelstrudel. Ich genieße Beides, lediglich die Rechnung genieße ich nicht mehr. Die Preise sind wieder zünftig beziehungsweise gesalzen, aber das musste ich bei einer Gaststätte mitten in einer Sehenswürdigkeit ja so erwarten. Um zehn Euro ärmer gehe ich also wieder nach unten, dabei war ein Glas gerade mal so hoch wie eine Faust. Ich stelle Schätzungen an, wie lange ich wohl nach unten brauche, wenn es nach oben 40 Minuten waren. Und wie lange ich dann überhaupt noch Zeit in der Stadt habe.

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Unten angekommen muss ich feststellen, dass ich offensichtlich geflogen bin. Ich habe den Weg im Eilschritt zurück gelegt und nur gut zehn Minuten gebraucht. Also doch noch etwas Zeit in der Stadt! Das bedeutet gleichzeitig, dass ich einfach wieder der Nase nach oder dem Gefühl nach gehen kann, was mich wieder in kleine verwinkelte Gassen führt. Nicht alles ist schön, manche Häuser sehen schon ganz schön verfallen aus, was mich vor Allem ob der Lage direkt neben den Fußgängerzonen doch etwas verwundert. Die Einkaufsstraßen selbst sind herausgeschmückt und voll mit Fachwerk und Jugendstil.

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Und dann komme ich auch endlich am Marktplatz an, umringt von bunten Fassaden, Brunnen und Ostereiern. Vor der Sparkasse steht ein großer Osterbrunnen voller bunter Eier. Am anderen Ende des Platzes verwechselt sich Coburg mit Moskau, hat auch etwas. Ich umrunde den Platz einmal und versuche, den Eilschritt wieder aus meinen Beinen zu bekommen.

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Noch eine gute Stunde habe ich Zeit, und ich weiß ja gar nicht, wie lange ich von hier zum Bahnhof brauche. Und so laufe ich tendenziell schon in Richtung zurück, bis ich plötzlich nur noch wenige hundert Meter entfernt bin. Zum Glück liegt noch das Café Filou auf meinem Weg. Mir ist etwas komisch, ich brauche ein Getränk und vielleicht auch was Warmes. Ich sehe kurz in die Karte und beschließe, dass das der richtige Ort für die letzte Dreiviertelstunde ist. Zwar muss ich im Bus noch lange genug sitzen, aber ein Chai-Latte, eine Maracujaschorle und vor Allem eine Orangen-Ingwer-Suppe tun mir sehr gut. Mein Kreislauf erholt sich wieder und mein suchendes Auge darf sich auch wieder entspannen.

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Überpünktlich bin ich wieder am Bahnhof, obwohl ich schon ganz langsam schlendere. Der Bus ist ebenso überpünktlich, so dass ich nur wenige Minuten warten muss. Die Heimfahrt verläuft sogar ohne Umsteigen, leider aber ebenso ohne Wifi. Auch Nürnberg erreichen wir pünktlich, obwohl ich in Erlangen mal das Gefühl hatte, dass das auf keinen Fall mehr möglich sei. In Nürnberg ist dann Carina so lieb, mich vom ZOB abzuholen, so dass ich auch noch ganz gemütlich und warm wieder nachhause komme.

Mein Fazit ist schwer zu ziehen. Die Veste lohnt sich auf jeden Fall, und an einem schönen Sommertag kann ich mir Coburg auch wunderschön vorstellen. In Coburg findet jedes Jahr ein Sambafestival statt, auf das die Stadt auch stolz ist. Auch das passt gut zur Stadt. Vielleicht schau ich es mir lieber mal live an, als nur in meiner Vorstellung.

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