Wie ein echter Lensois

Nun hieß es also früh aufstehen. So früh wie ich nie aufstehe. Auch nicht wenn ich arbeiten muss. Überhaupt bin ich den ganzen Urlaub früher aufgestanden, als wenn ich arbeiten muss. Das liegt aber an meinen ungewöhnlichen Arbeitszeiten. Heute jedoch geht es so früh los, dass es mir wirklich schwer fällt, überhaupt die Augen zu öffnen, geschweige denn sie offen zu halten.

Um halb Zehn haben wir einen Termin in der Touristeninformation in Lens, und bis dahin ist es eine knappe Stunde Fahrtzeit.  Ein bisschen Puffer noch eingerechnet. Das ist auch gut, denn ich vergesse doch glatt meine Infomappe mit dem Programm im Hotel und lasse mir den Schlüssel nach dem Auschecken nochmal geben. Klar hätte ich auch alles noch digital gehabt, aber die ausgedruckte Form ist im Auto einfach leichter zu handhaben. Es läuft alles wie am Schnürchen und wir kommen gut durch, finden sofort einen Parkplatz und sind mehr als pünktlich vor Ort. Dort wird uns erklärt, wie wir heute so den Tag verbringen können. Dabei erfahren wir, dass wir heute nicht irgendein Fußballspiel besuchen werden, sondern das letzte Spiel in diesem Stadion, bevor es baulich verändert wird. Sofort schlägt natürlich mein Hopperherz höher. Ich hatte mich vorher zwar informiert über die Teams und Tabellenstände sowie die Stadien, doch das ging irgendwie an mir vorbei.

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Doch bevor es zum Fußball ging, wurde erst mal Kultur getankt! In Lens gibt es seit Kurzem einen Ableger des berühmten Louvre aus Paris. Momentan findet leider keine spezielle Ausstellung statt, aber die dauerhafte Galerie der Zeit ist natürlich vorhanden. Bis zum Ende des Jahres ist der Eintritt frei und es gibt einen kostenlosen Shuttlebus vom Bahnhof zum Louvre und zurück. Das ist absolut perfekt!

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Die Galerie weiß zu gefallen. Die meisten Besucher auch. Es sind ein paar Gruppen Kinder im Museum, und die können sich kaum benehmen. Das fällt mir generell hier in Frankreich auf. Anscheinend lernt man Benehmen hier erst viel später. Und beim Essen zusehen kann man französischen Kindern auch nicht. Ich habe noch kein einziges Kind während dieses Urlaubs gesehen, dass seine Gabel nicht in der Faust hielt. Selbst die halbwegs braven Kinder mit anscheinend anständigen Eltern taten das so. Ansonsten läuft es ungefähr so ab in den Restaurants. Da springen Kinder umher, spucken sich gegenseitig mit Eis an, blockieren 15 Minuten lang die Toiletten und die Eltern tun: nichts. Immer wieder schüttle ich den Kopf über die französischen Eltern. In Deutschland geht mir das auch oft so, aber hier empfinde ich es noch schlimmer. Im Urlaub ist das besonders deswegen schlimm, weil wir Beide unser täglich Brot mit Kindern und Jugendlichen verdienen und genau das dann natürlich im Urlaub nicht sehen und hören wollen. Gegen Ende des Urlaubs haben wir es immer geschafft, Kindern in Restaurants auszuweichen. Aber eigentlich war ich ja beim Louvre, bevor ich zu diesem Exkurs ansetzte.

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Nun, der Louvre beziehungsweise die Galerie der Zeit lohnt sich! Ich hätte die Galerie gerne noch größer gehabt, aber man kann nicht alles haben. Wir haben ungefähr eine Stunde gebraucht mit Audioguide, den es auf französisch und Englisch gibt. Nun muss ich aber wieder auf die Kinder zurück kommen. Denn mir passiert ein Malheur im Louvre. Mein Audioguide schlägt versehentlich leicht gegen einen Holzschaukasten. Sofort kommt ein Security zu mir und erklärt mir lang und breit, dass man das auf keinen Fall berühren darf und da der Alarm losgeht. Er ist so aufgebracht, dass ich keine Chance habe ihm zu sagen, dass ich kein Französisch spreche, denn diesen Satz kann ich nämlich. Ich lasse ihn erst mal alles loswerden und entschuldige mich. Warum geht eigentlich kein Security zu den Kindern, die über das Mosaik steigen und warum geht eigentlich kein Security zu den Kindern, die durch den Louvre rennen und warum geht eigentlich kein Security zu den Kindern, die mich vor lauter Rennen voll anrempeln, so dass ich gerade noch mit einem Reflex meine Kamera wieder auffange, als sie bereits fällt? Da fühle ich mich dann doch ungerecht behandelt, zumal ich auch einige Erwachsene sehe, die mit den Fingern auf Originalkunstwerken herum tatschen. Fingerabdrücke noch und nöcher auf dem Ausstellungsstück! Und kein Mensch sagt etwas, aber mein Audioguide kurz gegen das Holz eines geschlossenen Schaukastens ist ein Problem? Da hört es bei mir echt auf. Aber anstatt mich aufzuregen, konzentriere ich mich lieber auf die wirklich lohnenswerten Kunstwerke und dann ist es auch schon wieder Zeit für eine Rückkehr in die City.

Man beachte die Fingerabdrücke

Man beachte die Fingerabdrücke

Wir nehmen wieder den Shuttle und suchen dann ein Restaurant genau gegenüber der Büros für Tourismus auf. Im „Le Pain De La Bouche“ fühlen wir uns sofort wohl. Von außen hatte es so unscheinbar gewirkt und sehr dunkel. Aber von innen ist es mit sehr viel Liebe zum Detail dekoriert und wahnsinnig urig. Ich wähle ein Filet Mignon mit Apfel und Kartoffeln und natürlich mit Maroilles überbacken (war ja klar) und Carina versuchte ein (eine?) Faluche. Richtig interessant wurde es dann beim Nachtisch, denn da gab es frischen Lebkuchen mit Chicoree-Eis. Ja, richtig gelesen! Ich mag den Salat nicht, mittlerweile nicht mal mehr in der Variante meiner Mum mit Mandarinen, aber das Eis war lecker!

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In Lens wollten wir auch noch andere Delikatessen testen und eine Patisserie sowie einen Käsehersteller besuchen. In der Patisserie bes0rgten wir uns Törtchen für uns und Schokolade als Mitbringsel und konnten uns eine Weile gar nicht entscheiden, was wir denn am liebsten hätten. Beim empfohlenen Käsehersteller hatten wir dann leider die falsche Uhrzeit gewählt und standen vor verschlossenen Türen beziehungsweise heruntergelassenen Laden.

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Nun hatte es mal aufgehört zu regnen und wir wollten die Zeit ein wenig nutzen. So fuhren wir zur Zeche 11/19 etwas außerhalb des Stadtzentrums. Lens ist eine absolute Bergbaustadt, und hier in den äußeren Bezirken sieht man das noch viel mehr als in der Innenstadt, auch wenn alles sehr gepflegt ist. Das habe ich zum Beispiel in Luxemburg schon ganz anders gesehen. Ich gehe davon aus, dass die Zeche ein Lost Place ist. Ich mag solche Orte und freue mich drauf. Dort angekommen stellen wir fest, dass es nur zum Teil Lost ist, denn ein großer Teil der Bürogebäude wird nun von anderen Firmen genutzt, was ja im Prinzip auch gut ist. Der Ort verliert dadurch nur leider an Charme. Ein paar verlorene Ecken finden wir aber, und so halten wir uns doch eine Weile dort auf.

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Dann ist es Zeit, zu unserem B&B zu fahren. Das erste B&B unserer Tour und mein erstes B&B seit 1998 in England. Und dort lief das alles mehr wie in einem Hotel ab. Wir fuhren zur angegebenen Adresse und wunderten uns. Was an diesem Haus sorgt bitte für den Namen „l’Heure bleue“? Nun gut, am Nachbarhaus gibt es blaue Türen und Fensterläden, vielleicht muss man dort nur den Schlüssel holen und die Zimmer sind im Nachbarhaus. Wir gehen also hin und klingeln. Uns öffnet eine alte Dame, ich schätze sie auf 75. Sie schaut uns mit großen Augen an und wir realisieren sofort, dass wir hier falsch sind, fragen aber höflich trotzdem nach. Sie kann uns leider kein Zimmer geben sagt sie, denn sie hat selber nur eines. Wir entschuldigen uns für den Irrtum und gehen zurück zum Auto. Dort müssen wir erst mal herzhaft lachen. Wir checken nochmal unser Programm, doch wir haben die richtige Hausnummer eingegeben. Auch Straße und Ort stimmen. Wir suchen im Navi nach dem B&B, denn mein Navi kennt ja auch Unterkünfte, doch dort finden wir nichts. Dann komme ich auf die Idee, den Touristenguide von Lens mal zu durchblättern, und dort finden wir dann die richtige Adresse. Vor der 5 hatte noch die 10 gefehlt und so fuhren wir einfach weiter von der Nummer 5 zur Nummer 105.  Dort waren wir dann richtig, wurden freundlich empfangen und in richtig tolle Räume geführt!

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Wir befinden uns in einer umgebauten ehemaligen Scheune. Das Erdgeschoss ist ein großer Gemeinschaftsraum mit Küche und Sitzmöglichkeiten und PC. Unser Zimmer befindet sich im Obergeschoss und gefällt uns richtig gut. Wir sind irre müde, so dass wir beschließen, erst mal ne Stunde zu schlafen oder zumindest zu ruhen. Die Stunde ist viel zu schnell vorbei, aber nun steht ja etwas ganz Großes für mich auf dem Programm, und auch Carina ist gespannt.

Wir schwingen uns wieder ins Auto und fahren in die City. Das Stadion liegt mitten in der Stadt. Selten fahre ich direkt mit dem Auto zum Stadion, ich bevorzuge hier ausnahmsweise den öffentlichen Nahverkehr. Aber da unser B&B etwas außerhalb liegt, ist das Auto unverzichtbar. Das Navi leitet uns und als wir nicht mehr weit weg sind und die Menschenmassen in Trikots zunehmen und in Scharen in die gleiche Richtung laufen (schon am frühen Nachmittag waren kleine Gruppen in Fankleidung unterwegs beim Einkaufen) parken wir uns schließen uns der Menge an. Nach gut zehn Minuten sind wir am Stadion und dort ist einfach alles gelb und rot. Wir wollen eigentlich Fritten an der Bude holen und in den Fanshop, doch vor Beidem stehen ewige Schlangen. Na gut, dann eben nicht und wir suchen unseren Eingang, müssen dafür einmal ums Stadion rum und stehen dann auch hier vor Schlangen. Frauen werden in Frankreich nicht durchsucht, man könnte sie also einfach durch lassen. Es dauert nämlich nur so lange, weil alle Männer direkt am Drehkreuz (so einem richtig alten maroden) gründlich kontrolliert werden. Bei mir will man nicht mal in die Fototasche sehen, echt ungewöhnlich.

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Dann sind wir also endlich drin und haben noch 25 Minuten Zeit. Trotz Schlangen sollte das reichen für die Frittenbude und wir stellen uns an. Bis zuletzt schwanke ich in meiner Wahl und mache die arme Carina damit ganz verrückt. Am Ende werden es dann ganz normale Fritten. Die kommen verpackt in einem riesigen Papier. Die Soße kann man aus mehreren wählen und ich nehme natürlich die Ch’ti-Soße. Die erweist sich als würzig und sehr lecker. Wir gehen auf unsere Plätze und da sitzen zwei Kerle drauf. Sie sagen, es sei freie Platzwahl. Nun gut, dann setzen wir uns eben woanders hin. Wir essen unsere Fritten und das ist auch gut so, denn um uns herum stehen alle, mit Ausnahme der Essenden. Die Leute stehen auf dem Boden und auf den Sitzen, und es ist schon mächtig Stimmung. Um 20 Uhr wundern wir uns dann doch gewaltig, warum hier nichts los ist. Im Matchprogramm steht, dass erst um 20.30 Uhr Anpfiff ist. Das kommt uns entgegen, das reicht für einen Toilettenbesuch. Doch wo sind die Toiletten? Raus aus dem Block und an der Tribüne entlang. Nichts zu finden. Wir fragen und erfahren, wir müssen neben unserem Block in einen anderen Block und dort sind sie. Als wir das tun, nimmt uns der Kontrolleur unsere Tickets ab und gibt sie uns wieder, als wir fertig sind. Der Sinn dieser Aktion würde sich mir nur erschließen, wenn die Blöcke auf der Tribüne durch Zäune voneinander getrennt wären, aber auf der Tribüne kann man sich frei bewegen.

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Eine halbe Stunde später als gedacht geht es dann los, und wie! Die Stimmung ist der absolute Hammer, vermutlich das Beste was ich bisher erlebt habe an Fußballstimmung. Es knallte ein Böller nach dem Anderen und die ganze Tribüne rauchte in weiß und rot. Bengalos leuchteten und die Lautstärke war der Wahnsinn. Manch Einer zuckt jetzt vielleicht zusammen. Das ist doch gefährlich. Ich bin der Meinung, dass das überhaupt nicht gefährlich ist, wenn es ordentlich gehandhabt wird. Wenn ein Bengalo gezündet wird und abbrennt und man ihn so hält, dass man damit Niemandem nahe kommt, brennt einfach nur ein schönes Licht für eine Weile. In Deutschland ist das verboten und wird vor Allem dadurch gefährlich, dass die Leute die Bengalos wegwerfen, wenn der Ordnungsdienst nahe kommt. Ob es in Frankreich verboten ist oder nicht weiß ich gar nicht, das ist für mich auch nicht wichtig. Ich sehe es jedenfalls sehr gerne und über diesen Hexenkessel bin ich absolut begeistert. Carina tut sich als relativer Stadionnovize zeitweise etwas schwer, die Fans einzuschätzen, ist aber ebenfalls begeistert. Während der kompletten Zeit, sowohl vor als auch während des Spiels war keine Aggressivität unter den Fans auszumachen sondern bedingungsloses Anfeuern und absolute Party.

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Das Spiel selbst war wenig spektakulär. Es fing ziemlich schnell an und wurde ziemlich schnell langsamer, die Spielzüge waren bis vor dem Tor ganz ansehnlich und spätestens ab dem Strafraum stümperhaft, was insbesondere für Lens gilt. Der Gegner Brest kam einige Male gefährlich vor das Tor, konnte die Chancen jedoch nicht verwerten. In der zweiten Halbzeit bekam Lens dann einen Elfmeter zugesprochen, der jedoch vergeben wurde. Ich hatte mich schon fast auf ein torloses Unentschieden eingestellt, als Brest dann einen Treffer nach einem Konter machte. In der Folge drückte Lens nochmal unheimlich, war aber nie wirklich gefährlich vor dem Tor und ließ selbst immer wieder schnelle Konter zu, so dass ich fast noch ein weiteres Gegentor befürchtete. Das letzte Spiel im heimischen Stadion endete also mit einer Niederlage für den RC Lens. Nach dem Spiel begannen die Fans den Platz zu stürmen und wir verließen recht schnell das Stadion, obwohl auch hier alles mehr nach Party als nach Aggression aussah. Wir wollten aber ja noch in den Fanshop, denn ich hatte noch keinen Pin, der für mich ja obligatorisch ist bei einem Stadionbesuch. Ich muss sagen, dass ich auch nach dem Besuch im Fanshop keinen Pin habe, denn laut Mitarbeitern gibt es keinen. Schade!

Also auf zum Fußmarsch zurück zum Auto, bei dem ich Carinas Bedenken, das Auto nicht wieder zu finden mühelos zerschlug. Wieder zurück im B&B sind wir noch etwas aufgeputscht von der tollen Stimmung, doch irgendwann funktioniert auch das Schlafen.

Am nächsten Morgen erwartet uns ein französisches Frühstück, bei dem wir vor Allem die selbst gemachte Marmelade, den frisch gepressten Orangensaft und die leckeren Crossaints sowie Pains au Chocolat genießen.

Auf meiner Reise wurde ich von der französischen Zentrale für Tourismus unterstützt. Unsere Ãœbernachtung im L’heure bleue sowie das Mittagessen im Le Pain de la Bouche und die Tickets für das Fußballspiel beim RC Lens wurden vom Tourismusbüro in Lens übernommen. Auch an dieser Stelle bedanke ich mich hierfür herzlich, ganz besonders auch bei Marlène Virey für den speziellen Abholservice der Tickets am Stadion! Meine Meinung bleibt davon unberührt, ich berichte ehrlich und offen und so wie ich es erlebt habe.

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