Winterflucht nach Palermo

7. Juni 2018
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„Es ist Sommer, egal ob du schwitzt oder frierst, Sommer ist, was in deinem Kopf passiert“ – so ganz habe ich das nicht verinnerlicht. Jedes Jahr im Herbst wird meine Laune trister, der Winter ist für mich eigentlich immer äußerst unangenehm. Ich habe deutlich weniger Energie als im Sommer, empfinde Stress als deutlich belastender und will eigentlich einfach nur noch „hier raus“. Die Winterdepression, oder zumindest irgend so etwas in dieser Richtung, erwischt mich mit unheimlicher Zuverlässigkeit jedes Jahr. Ich habe buchstäblich das Gefühl, dass es nicht nur draußen kalt ist, sondern auch ich selbst eingefroren bin.

In diesem Jahr habe ich gezielt versucht, etwas dagegen zu unternehmen. Im Januar waren wir zwar noch in Richtung Osten unterwegs und machten Krakau unsicher, doch Ende Januar gönnten wir uns mit Bergamo bereits schön sonnige und warme Zeit. Anfang Februar ging es dann für mich alleine nach Palermo, noch ein Stück weiter in Richtung Süden – der Sonne entgegen. Ich flüchte also vor dem Winter, und es hat funktioniert!

Der Anflug nach Palermo war wenig spaßig, es stürmte über Sizilien. Trotzdem schlief ich im Flugzeug. Stutzig machte mich, dass der Pilot seine Crew drei mal dazu aufforderte, sich zum Landen hinzusetzen. Hat er möglicherweise drei Anflüge gebraucht? Ich weiß es nicht, denn ich schlummerte jedes Mal sofort wieder ein. Es würde mich aber nicht wundern, denn der Flughafen in Palermo liegt am Meer, die Landebahn grenzt relativ direkt an Wasser. So bekommen rund um mich herum auch einige Fluggäste Panik, denn die Maschine fliegt immer niedriger und überall auf der rechten Seite sieht man nur Wasser. Erst ganz knapp vor dem Aufsetzen bekommt man die wenigen Meter zwischen Landebahn und Meer zu Gesicht, und in diesem Moment beruhigt sich alles wieder.

Beim Aussteigen aus dem Flieger werde ich trotz Warnung fast von der Leiter geblasen und halte mich dann anständig fest. Ich habe nur Handgepäck, bin daher schnell in der Ankunftshalle und sitze noch schneller im Bus in die Innenstadt, alles sehr unkompliziert. Der Bus spuckt mich ungefähr eine Dreiviertelstunde später mitten in Palermo aus. Hier in der Stadt merkt man den Wind glücklicherweise gar nicht so. Ich orientiere mich schnell und bringe zuerst meinen Rucksack in mein Hostel Camere Kaleidos, das sehr zentral liegt. Es handelt sich um ein kleines Künstlerhostel mit wunderbarer Dachterrasse. Schlicht und simpel, aber für ein paar Tage völlig ausreichend. Auf dem Dach werde ich von den Hauskatzen umschmust, die aber nicht mit in die Zimmer dürfen. In den Räumen hängen Zeichnungen von Gästen, auch ich habe ein kleines Werk hinterlassen.

 

Den ersten Tag verbringe ich zu Fuß in der Stadt. Und das streichelt bereits meine Seele. Zwar ist der Himmel relativ grau, aber ich brauche keine Jacke. Auf den Straßen fühle ich mich wohl und sicher, auch wenn manche Gassen eng und düster sind. Ich finde natürlich zuerst meinen Weg zum Meer – Wasser ist einfach mein Element. Es gibt den Kreuzfahrthafen, und ich sehe in der Ferne auch etwas Großes stehen, ich meide diesen Bereich aber. Die kleinen Segelboote haben es mir viel mehr angetan, obwohl Segeln wieder nicht mein Geschmack ist. Der Bereich ist so gut wie menschenleer, so dass ich mich erst mal hinsetze und ein wenig auf das Wasser blicke. Am Ufer entlang komme ich erst an einer Baustelle vorbei, dann aber zu einem kleinen Park und einer Art Promenade. Auch dort nur vereinzelt Menschen. Es fühlt sich an, als hätte ich die ganze Stimmung für mich. Die sieht zwar etwas düster aus, fühlt sich aber sehr angenehm an. Eine angenehme Temperatur, die salzige Meerluft, ein wenig Freiheit und die Neugier auf das Erkunden der Stadt.

Natürlich kenne ich einige Mafia-Geschichten, und wenn man hier durch die Gassen schlendert, kann man sich schon vorstellen, wie ein Passant vom vorbeifahrenden Moped aus einfach abgeknallt wird. Aber natürlich passiert gar nichts. Da ich unweigerlich an die Mafia denken muss, buche ich eine No Mafia Tour bei der Organisation Addiopizzo. Übersetzt heißt das „Tschüß Schutzgeld“. Die Geschichte hinter Addiopizzo ist erschreckend simpel, so dass man sich schon fast fragt, warum nicht früher Jemand auf diese Idee gekommen ist. Eine Gruppe von Studenten wollte im Jahr 2004 eine Bar gründen. Beim Gedanken an die dann fälligen Schutzgelder verwarfen sie ihr Vorhaben und gründeten stattdessen lieber diese Initiative. Die ganze Stadt wurde mit Aufklebern versehen, die Ladenbesitzer dazu aufforderten, kein Schutzgeld mehr zu bezahlen. Heute gehören rund 1000 Geschäfte in Palermo dieser Initiative an. Sie sind erkennbar am Addiopizzo-Aufkleber an den Türen.

Es gibt auch einen Stadtplan, in dem alle erfassten Läden und Restaurants zu finden sind. Einer der ersten Läden, die der Bewegung beigetreten sind war eine Hutmacherei, die den für Palermo so typischen Coppola herstellt: La Coppola Storta. Wir besuchen den Laden und finden die unterschiedlichsten Modelle. Wer die Tour macht, bekommt hier Rabatt. Mir fehlt aber die Muße zum Shoppen, obwohl ich über ein Geburtstagsgeschenk für meinen Bruder nachdenke.

Die Führung geht mit etwas Verzögerung los. Das liegt nicht etwa an irgendwelchen Verspätungen sondern an einem Herren, der uns zu Beginn der Führung vor dem Treffpunkt am Teatro Massimo sozusagen belauert. Die Guides sind so gut wie alle ehrenamtlich und vertreten einfach die gute Sache. Der finstere Geselle beäugt uns, läuft im Kreis um uns herum und lauscht. Die für uns Zuständige ist nicht auf den Mund gefallen und spricht ihn an. Ob er vielleicht auch bezahlt hat und teilnehmen will, fragt sie ihn. Er sagt, er würde nur auf seine Frau warten. Geht weiter um uns herum und versucht dabei, sie zu fotografieren. Das ist irgendwie aufregend und spannend, aber irgendwie auch tragisch. Sie versichert uns immer wieder, dass keine Gefahr herrscht. Dass die Mafia nicht dumm ist und deswegen wir als Touristengruppe nicht gefährdet sind, das ist mir durchaus bewusst. Mir geht es bei meiner Frage nach der Sicherheit auch nicht um mich, sondern um unsere Gruppenführerin, und da auch nicht während einer Führung sondern außerhalb dieses Rahmens. Sie spricht ihn erneut an und er verdrückt sich. Vielleicht 30 Meter weiter bleibt er stehen und telefoniert oder tut so. Er wechselt nun immer wieder den Standort, beobachtet uns aber weiter. Da wir erst einmal etwas zur Geschichte des wunderschönen Theaters hören, verweilen wir die erste halbe Stunde am Ort. Der Mann beobachtet uns die komplette Zeit über. Die Tour läuft zeitglich in zwei kleinen Gruppen mit unterschiedlichen Sprachen. Deswegen wird die andere Gruppenleitung ebenso gewarnt und telefonisch noch das Büro über die Beschattung informiert. Nach wie vor habe ich keine Angst um uns auf der Tour, aber die Reaktion unseres Guides zeigte schon, dass es eben auch nicht ganz ohne ist.

Das Teatro wurde in den Siebzigern geschlossen, weil die Baumängel so gravierend waren, dass Veranstaltungen nicht mehr sicher abgehalten werden konnten. Eigentlich hätte es direkt restauriert werden sollen. Auf Grund mafiöser Baupolitik dauerte es ganze 20 Jahre, bis das Haus wieder eröffnet werden konnte. Der Bürgermeister Leoluca Orlando sorgte mit viel Druck dafür, dass das Theater zum 100jährigen Jubiläum seines Bestehens wieder eröffnet werden konnte. Während der Schließung fanden im Theater Filmaufnahmen zu „Der Pate“ von Francis Ford Copolla (aha, der ist also nach dem Hut benannt) statt.

Die Tour dauert laut Plan knapp zwei Stunden, doch auf Grund des hohen Interesses und der vielen Nachfragen meiner vier Mitbesucher und mir und einer sehr engagierten Führerin sind wir aber über drei Stunden unterwegs. Wir erfahren viel über die Geschichte der einzelnen Familien in Sizilien, über die Stadtverwaltung, die Restauration Palermos nach dem Krieg (oder eben auch die mangelnde Restauration), die Organisation Addiopizzo, die berühmten Mafiaprozesse um Giovanni Falcone und sehen gleichzeitig viel von der Stadt selbst. Jetzt weiß ich: Palermo ist nicht frei von Mafia, aber die Mafia ist leise und arbeitet im Hintergrund. Man sieht sie nicht. Und: Palermo wehrt sich inzwischen nicht nur von offizieller Seite aus, sondern eben auch vom kleinen Ladenbesitzer.

Gleichzeitig öffnet die Führung aber auch die Augen für Dinge, die man in der Heimat bereits beobachtet hat. Die Mafia ist nicht nur in Italien aktiv, gerade auch in Deutschland gibt es ähnliche Strukturen. In der Gegend um Nürnberg sind Sizilianer aus Catania sozusagen an der Macht. Wenn man nun weiß, wie Schutzgelderpressung aussieht, nämlich wie der regelmäßige Besuch eines Freundes im Laden, und eben so etwas in der Vergangenheit schon über eine Weile beobachtet hat (mit einem jungen Mann aus Catania als „Gast“), dann sieht man auch viele Dinge in der Heimat aus anderen Augen. Vielleicht war der Kerl auch wirklich nur ein Freund, aber genau wissen kann man das nun wohl nicht mehr.

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Schwer beeindruckt von der Führung setze ich mich danach auf meine Dachterrasse und google noch stundenlang nach den Prozessen, den Familien, sogar den Filmen rund um mafiöse Strukturen. Da ich jetzt weiß, wo man schutzgeldfrei essen kann, wähle ich natürlich dementsprechend aus. Das Fehlen eines Eintrags bei Addiopizzo bedeutet übrigens nicht automatisch, dass Schutzgeld bezahlt wird. Die Wahrscheinlichkeit ist aber größer.

Die Altstadt Palermos ist eine faszinierende Mischung aus schmalen Gassen, lebendiger Fußgängerzone, alten Fassaden mit Balkonen, barocken Verzierungen und erstaunlicherweise auch Ruinen. Löcher mitten drin, die mit Grün überwuchert sind. Dies sind Reste aus dem zweiten Weltkrieg, die nicht wieder aufgebaut wurden. Das macht die Stadt ein wenig zu einem Abenteuerspielplatz. Besonders gefallen mir die Straßen an sich. Sie sind größtenteils nicht geteert sondern gepflastert, mit wunderbaren großen Steinen. Ich finde, das sieht einfach toll aus, erzeugt eine ganz andere Atmosphäre. Es wirkt viel charmanter, gleichzeitig auch viel historischer. Irgendwie auch bedeutsamer.

 

Mitten in Palermo steht ein Brunnen, der hier irgendwie nicht her gehört. Er war eigentlich für eine Villa in Florenz gedacht und landete dann irgendwie in Palermo. Und so sieht er auch aus! Für den Platz ist er schon mal viel zu groß, denn er nimmt ihn so gut wie komplett ein. Irgendwie ist er auch vereinnahmend, und obwohl er irgendwie seltsam deplatziert aussieht, gefällt mir dieser seltsame Mix doch. Ich finde, das passt irgendwie zu Palermo. Die Renaissance mitten unter grünen Balkonen, neben mittelalterlichen Bodenplatten und Gassen, Flussnymphen und Wasserspeier neben Einschusslöchern, deren Ursprung und Zeit nicht klar ist.

Viel besser ins Bild passt die Kathedrale, obwohl auch diese häufig dem Wandel der Zeit unterlag. Ursprünglich als Dom gebaut, wurde sie aber zwischenzeitlich zur Moschee umgebaut und gleichzeitig als Universität benutzt. Sie besitzt verschiedene Erweiterungen aus verschiedenen Epochen, auch die Zeit als Moschee ist in den Ornamenten noch sichtbar.

Spannender finde ich aber eine andere Kirche, nämlich San Domenico, mit angeschlossenem Nonnenkonvent. Vor der Kirche betteln zwei Zigeunerinnen recht penetrant. Sie werden vom Aufsichtspersonal immer wieder in die Schranken gewiesen, doch diese sind recht erfolglos. Sie stellen sogar große Blumenkübel an die Stellen, wo die beiden Frauen auf einem kleinen Stück Karton sitzen, und schieben die Frauen damit aus dem Weg. Dennoch finden die Bettlerinnen einen neuen Platz. Das alles läuft unter wüsten Beschimpfungen ab. Ein spannendes Schauspiel, das ich eine Weile von der vorgelagerten Statue aus beobachte. Dann habe ich genug und gehe nach innen. Ich besuche die Kirche, den Kreuzgang, ein Museum und die Basilika. Kreuzgang und Basilika sind wunderbar, ich verweile und fotografiere viel. In der Basilika wird es dann etwas spooky. Wie von Geisterhand wackelt die Tür im Rahmen. Mir ist klar, dass es ein Wind oder Ähnliches sein muss. Aber ich spüre ihn nicht. Ich sehe nur, wie sich die Tür leicht im Rahmen bewegt, ein paar Milimeter vor und ein paar wieder zurück, und dabei jedes mal ein klapperndes Geräusch erzeugt.

Im Laufe meiner Tage in Palermo bekomme ich wieder Bestellungen auf italienisch hin, was mancherorts auch ganz gut ist. Englisch wird häufig, aber nicht überall verstanden. Besonders bei älteren Inhabern kleiner Läden klappt Englisch nicht so gut. Generell ist es dort jedoch auch schwierig einzukaufen, denn die Herren stehen gerne an der Straße mitten in ihren Türen. Wenn ich etwas kaufen will, dann muss ich erst den Ladenbesitzer aus dem Weg schieben, damit ich seinen Laden betreten kann. Dies hindert mich einige Male daran, mir einen kleinen Snack oder etwas zu trinken zu holen.

Natürlich bin ich auch wieder ein wenig auf der Suche nach Street Art und hätte hier sogar mehr vermutet. Möglicherweise war ich auch nicht an den richtigen Orten, denn es gibt hier auch eine geführte Street Art Tour. Da ich in Palermo aber auch nicht ins Stadion gehen konnte (ich war mal wieder zu blöd, eine Reise am Spielplan zu orientieren), muss ich Palermo sowieso noch mindestens ein weiteres Mal besuchen. Ich habe also Zeit für weitere Aktivitäten in der Zukunft.

Von der Küche in Palermo bin ich eher negativ überrascht. Es gibt erstaunlich häufig Pommes, selbst Schnitzelsandwich mit Pommes im Brötchen. Und das nicht nur in einer Imbissbude. Sogar im Restaurant zu Wein wird das am Nebentisch von einer italienischen Familie bestellt. Und was ich auch überall sehe: seltsame große frittierte Bälle. Obwohl ich nicht weiß, worum es sich dabei eigentlich handelt, wage ich natürlich den Versuch und kaufe zwei verschiedene Sorten. Einen Ball mit Spinat und Ricotta und einen mit Huhn und Pilzen. Beim ersten Biss stelle ich fest, dass es sich um gefüllte und fritterte Bälle aus Reis handelt. Den Geschmack finde ich relativ ausbaufähig, möglicherweise habe ich aber auch einfach suboptimale Sorten erwischt. Etwas würziger wäre mir ganz recht gewesen.

Ebenso probiere ich Cannoli, die es hier auch an jeder Ecke gibt. Auch das irgendwie schon lecker, aber auch nicht so ganz mein Fall. Dazu muss man aber wissen, dass ich weder Fan von Sahne, noch von extrem süßen Nahrungsmitteln bin, abgesehen von Schokolade an sich. Und selbst die ist mir manchmal zu süß.

Absolut mein Fall ist meine Pizza im „Frida“, wo ich auf Empfehlung meiner Gastgeberin Viola am ersten Abend zum Essen bin. Auch hier habe ich aber wohl etwas dumm gewählt. Zwar schmeckt meine Pizza hervorragend, aber wenn ich mir so ansehe, wie die Pizzen um mich herum belegt sind, dann war meine Wahl mit vier verschiedenen Käsesorten etwas unglücklich. Als die Pizza fertig ist, habe ich noch Wein übrig, und frage mich schon, wie ich den überhaupt schaffen soll, ohne nachhause zu torkeln. Ausnahmsweise gönne ich mir also noch einen Nachtisch. Das Ergebnis ist, dass ich eben voll und betrunken nachhause laufe. Ansonsten sind es die frischen Sachen, die mich begeistern, so simpel sie auch sind.

Da wir erst Anfang Februar haben, wird es natürlich schon früh dunkel. Abends ist es jeweils schon am Dämmern, als ich auf dem Weg zum Restaurant bin. Das ist aber hier im Zentrum absolut kein Problem. In keinem einzigen Moment fühle ich mich hier unsicher oder gar bedroht, auch nicht als ich durch wirklich kleine und verwinkelte Gassen streune. Ich bleibe dabei eigentlich die komplette Zeit in der Altstadt, kann also nicht für Vororte sprechen. Die Altstadt ist aber entspannt, und vor Allem ist sie belebt! Inzwischen habe ich ähnliche Menschenmassen auch in anderen südlichen Orten abends auf den Straßen erlebt, zum Beispiel in Madrid oder Mailand. Aber was hier in Palermo am Abend in den Straßen los war, das hat mich wirklich überrascht. Und es hat mich positiv beeinflusst. Einen Abend wird es nochmal wirklich stürmisch und von einem ansässigen Künstler auf der Dachterrasse erfahre ich, dass es sich hier um Wind aus der Sahara handelt. Scheint wohl öfter so zu sein. Es beginnt auch ein wenig zu regnen, deswegen ziehe ich mich in mein Zimmer zurück und lese. Ja, ich lese! Dafür habe ich mir seit Monaten keine Zeit mehr genommen, dabei tut es so gut.

Am nächsten Morgen ist außen alles sandig. Fensterscheiben, Sitzbänke, Autos. Überall hat der Sand aus der Sahara seine Spuren hinterlassen. Regen mit Saharasand habe ich auch deutlich weiter nördlich schon gesehen, aber nicht so viel und so deckend. Auf jeden Fall ein spannender Anblick für mich, aber wohl Alltag für die Menschen in Palermo. Während ich fotografiere, beachten sie den Sand gar nicht, oder waschen ihn stoisch von ihren Schaufenstern. Als wäre das eben jeden Morgen die gleiche Aufgabe.

Palermo hat unterschiedliche Straßenmärkte in den kleinen Gassen. Ich schlendere durch mehrere und bin überrascht, was hier teilweise von Läden angeboten wird. Ich hätte davon Vieles mindestens als Ramsch, große Teile aber auch tatsächlich als Müll bezeichnet. Zum Beispiel fand ich einen einzelnen Schuh, noch dazu mit Loch in der Sohle. Was wirklich toll war (und auch dementsprechend lauter und voller und mit mehr Gedrängel) war der Markt mit frischen Lebensmitteln. Hier hätte ich ewig bleiben und beobachten können!

Was ich in Palermo am allermeisten und vor Allem auch sehr erfolgreich getan habe: ich bin geschlendert! Zeit vergeuden, rumsitzen und einfach nur einen Cappuccino trinken, oder mit einer Kugel Eis auf einem Platz sitzen und Passanten beobachten oder auf den Stufen des wunderbaren Theaters sitzen mit meinem Buch. Die wärmeren Temperaturen und die Sonne genießen. In einem sehr berühmten Film lernt Julia Roberts „dolce far niente“ zu genießen, und genau das übe ich hier auch. Für ein paar Tage werde ich aus meinem Wintertief gerissen und habe das Gefühl, dass doch noch Puls in mir schlägt. Nun weiß ich: der nächste Winter braucht mehr von so Orten wie Palermo!

Mein Fazit ist recht simpel. Palermo hat eine wunderbare Altstadt, die mit Leben gefüllt ist. Der Stil ist eine ganze Nummer rauer, als man es von Italien vielleicht gewohnt ist, aber gerade das gefällt mir. Etwas weniger Schnickschnack, etwas weniger Etikette. Etwas wilder, etwas unbändiger, etwas ungehorsamer und weniger geschniegelt. Dafür liegt ein Hauch von Gefahr in der Luft und man hat das Gefühl, die Stadt findet sich gerade selbst und beginnt, sich zu entwickeln. Hoffentlich bewahrt sie sich diesen Charme!

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